„Wenn uns einer blöd kommt, legen wir ihn um und essen ihn auf. Aber wir finden, du bist okay“: Wenn Raúl Interviews führt für seine wissenschaftliche Studie über Rebellengruppen im Ostkongo, kriegt er ehrliche Worte zu hören, während nebenan wie nebenbei Frank-Walter Steinmeier mit Pomp einen Flughafen eröffnet.
Der Forscher weiß: Bei seinen Untersuchungen bringt er Geld mit und seine Klientel hört sich gerne reden, dementsprechend sprachlich lässig ist die. Andererseits: Gebeten hat Raùl auch keiner der Ansässigen, hier zu arbeiten. Und so wandelt er selbst in seinen Äußerungen in seinem Zynismus gewandeltem Idealismus hart an der Grenze zur Überheblichkeit, wenn nicht zum Rassismus.
Doktor Raúl ist einer der drei Protagonisten in Stephan Hilperts sehenswertem Dokumentarfilm „Congo Calling“. Thema: „Westliche“ Entwicklungshelfer und Forscher und ihre Einstellungen. Dass die sich im Laufe der Arbeit vor Ort erheblich ändern können, zeigen auch die Beispiele von Peter und Anne-Laure. Der eine hat sein gesamtes Berufsleben in der Entwicklungshilfe verbracht und steht voll hinter seinen Projekten. Nun hat sein Trägerverein alle Mittel gestrichen, Peter steht kurz vor der Rente. Und noch kürzer vor der Privatinsolvenz. So sucht er Hilfe bei seinem Sohn in Berlin. Mehr als Hartz 4 ist für ihn nicht drin, eigentlich ist ihm klar: Er kann nur im Kongo leben – wo es für ihn auch keine Zukunft gibt.
Anne-Laure wiederum war von den strukturellen Hindernissen in ihrem Job als Kinderschützerin genervt, organisiert jetzt regimekritische Musikfestivals. In einem Seitenstrang wird der Tod des Musikers und Menschenrechtsaktivisten Djoo Paluku thematisiert, der 2017 von einem Polizisten aus Versehen erschossen wurde, der stockbesoffen mit seiner Pistole herumfuchtelte.
Der Film wirft einen Blick auf die extrem gewalttätigen Verhältnisse, die durch den Abbau von Rohstoffen für die Digitalindustrie regelmäßig aufgekocht werden. Hilperts Leute räumen mit gängigen Vorstellungen auf dem Feld der internationalen Hilfe auf. Hier wird draufgehalten und nicht kommentiert. Im Raum stets die Frage, was der Westen in afrikanischen und anderen Ländern treibt und welchen Sinn die Hilfen machen. Dokumentation at it’s best.
Diese Kritik erschien zuerst in: KONKRET 06/2020