Dr. Paul Kersey (Bruce Willis) ist liebender Ehemann und Vater und arbeitet als Chirurg in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Chicago. Als bei einem Raubüberfall seine Frau Lucy (Elisabeth Shue) ermordet wird und seine Tochter Jordan (Camila Morrone) im Koma landet, beschließt er, in den Straßen der Stadt auf Ganovenjagd zu gehen.
Was Michael Winners Original-„Death Wish“ aus dem Jahr 1974 ideologisch besonders unsympathisch machte, sucht man in Eli Roth‘ Neuauflage des Stoffes glücklicherweise vergeblich. Dort ging es nicht nur um Selbstjustiz, die politische Agenda des Films schloss auch eine affirmative Haltung gegenüber der Todesstrafe ein und eine weitere Liberalisierung der Waffengesetze. Diese weiteren Themen fallen bei Roth komplett weg beziehungsweise werden mit einem kurzen Witz abgehandelt. Bleibt die Sache mit der Selbstjustiz.
Kersey wird eingeführt als jemand, der nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen ist, der lieber eine schwere Demütigung hinnimmt als zuzuschlagen. Also muss schon das schlimmste eintreffen, was einem family man wie ihm passieren kann, damit aus dem täglichen Retter, der weiter seinem Job nachgeht, ein nächtlicher Rächer wird.
Roth macht aus diesem Stoff einen so derben wie eigensinnigen Splatter-Film. Der freilich die reaktionäre Agenda der Vorlage auf vielfache Weise ironisch brechen muss, um sie durch eine einfache Dialektik zwischen den „guten“ und den „bösen“ Persönlichkeitsanteilen der Filmfigur Paul Kersey zu ersetzen. Roth erreicht das dadurch, dass er das macht, wofür er bekannt ist: rumsauen. Der Film übersteigert die Gewalt ins Groteske, macht sie dabei aber nicht komensurabel. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken. Denn wer guckt schon gerne dabei zu, wie sich ein Mann eine tiefe Wunde mit einem Tacker verarztet?
In seinem aufgrund des Stoffes und der Besetzung der Hauptfigur kommerziell erfolgsversprechendsten Film eignet sich Roth die gängigen psychologischen Deutungsmustern des Hollywoodmainstreamkinos nur an, um sie zugleich in subversiver Absicht überzuerfüllen: Kersey kommt aus einer gefährlichen Ecke der Stadt, er ist ein Mann, der sich nach oben arbeiten musste, der ein ambivalentes Verhältnis zu seinem Bruder hat und einmal die Woche brav zu seiner Therapeutin geht, die im Verlauf des Films große Fortschritte in seiner Befindlichkeit bemerkt. Die Frage, wie ernst der Regisseur von „Hostel 2„, einer nicht sonderlich subtilen Satire auf die neoliberale Weltordnung, das meint, stellt sich dabei nicht. Entscheidend ist allerdings, welcher Form der Ironie sich der Film bedient.
Frei nach John Wayne könnte man sagen, dass Kersey tun muss, was er glaubt, als Mann tun zu müssen. Genau wie in Michael Winners Original. Nur war der eben von Anfang an der rechte Wolf im linken Schafspelz, aus dem sein innerer Zwiespalt nur mit den gängigen Mitteln des 1970er-Jahre-Brutalokinos herausgekitzelt werden musste. Bei Roth dagegen ist, wenn nach allerlei blutigen und unvorhersehbaren Volten Jordan aus dem Koma erwacht, noch längst nicht alles gut. Aber der Film ist vorbei. Auf den nächsten Film von Eli Roth bin ich sehr gespannt.
Dieser Text ist zuerst erschienen auf www.perlentaucher.de.
Hier findet sich eine weitere Kritik zu „Death Wish“.