Auf löchrigen Socken zieht der junge Steuereintreiber Ling Choi San (Leslie Cheung) durchs Land. Als er ohne einen Cent Geld in der Tasche in einem kleinen Ort ankommt, gleichen ihn einige Soldaten mit ihren Fahndungsbildern ab, und ein Sargmacher nimmt vorsichtshalber schnell seine Maße. Nur mit einem Schlafplatz sieht es schlecht aus. In einem leer stehenden Tempel gerät er zwischen die Fronten eines Kampfes zwischen dem taoistischen Schwertkämpfer Yin Chek Hsia (Wu Ma) und einem Kontrahenten, die ihm zunächst wenig Beachtung schenken – selbst dann noch, als er mitten zwischen den Klingen ihrer Schwerter steht. In der Nacht trifft er hier auf Lip Siu Sin (Joey Wang), die sofort bleibenden Eindruck bei ihm schindet, sich aber dann später, wie es der Titel erahnen lässt, als Geist herausstellt.
Ning, der so ängstlich ist, dass er wohl auch seinen eigenen Schatten fürchtet, muss nun über ebendiesen springen, um der schönen Unbekannten dabei zu helfen, als Mensch wiedergeboren werden zu können – um jeden Preis. Bis dahin jedoch gilt es viele Abenteuer zu bestehen. Im Reich der Lebenden und der Toten. In einem Gerichtssaal, dessen Personal der Film zu schillernden Karikaturen überzeichnet. Die Endgegnerin ist ein weiblicher Baumgeist mit einer ausgesprochen langen Zunge, die sie nutzt, um ihren Opfern das Leben auszusaugen.
Der Produzent Tsui Hark, der sich seitdem zu einem der bedeutendsten Genreregisseure des jüngeren Hongkong-Kinos entwickelte, überließ die Regie dem Stuntman und Choreograph Siu-Tung Ching, hatte aber wohl auch selbst großen Einfluss auf den abgeschlossenen Film, der sich zum vielleicht legendärsten Fantasy-Klassiker seiner Zeit entwickeln sollte. Wie so viele Genrefilme aus der damaligen Kronkolonie zeichnet sich auch „A Chinese Ghost Story“ durch einen wilden Genre-Mix aus, der sich vom asiatischen Martial Arts-Kino ebenso nimmt, was er braucht, wie von einigen einflussreichen westlichen Horror- und Splatterfilmen der Dekade. So stehen wenig subtile Zitate aus „Hellraiser“ (Clive Baker, GB 1987), „The Evil Dead“ (Sam Raimi, USA 1982) oder auch „Die Geisterstadt der Zombies“ (Lucio Fulci, Italien 1982) neben atemberaubend choreographierten Kampfszenen und in herzigen Stop-Motion-Animationen zum Leben erweckten Kreaturen verschiedenster Art. Zwischendurch gibt es noch eine ziemlich unfassbare Musical-Einlage, in der Yin einmal mehr seine Tanz- und Schwertkünste unter Beweis stellen darf.
Schierer und erheiternder Quatsch trifft auf eine süßliche, aber dadurch nur umso eindrücklichere Poesie in den Liebesszenen zwischen Ling und Lip. So ist etwa schon die pre title sequence ein einziger filmischer Rausch aus im Blau der Nacht im Herbstwind treibenden Blättern und wehenden Vorhängen. Hier sucht den an seinen Pergamentrollen arbeitenden Ling eine betörend schöne weibliche Geistererscheinung heim, die mit ihren langen Haaren, in denen der Lufthauch spielt, auch das Publikum sofort zu bezaubern vermag. Jedenfalls geben Leslie Cheung, der der jüngste von zehn Söhnen war, zeit seines Lebens zwischen Hongkong und Großbritannien pendelte und sich 2003 im Alter von sechsundvierzig Jahren das Leben nahm, und Joey Wang ein wundervolles Paar ab im vielleicht schönsten Geisterbahnfilm in der Geschichte des Kinos.
Gesehen in der Reihe: „Splendid Isolation: Hong Kong Cinema 1946-1997“ im Berliner Kino Arsenal