In der letzten Einstellung geht der namenlose Dokumentarfilmer eine Brücke entlang, während überall um ihn herum der Verkehr weiter fließt. Das Licht der letzten Dämmerung und die gelben Lichter der Straßenlaternen, die melancholischen Klavierklänge auf der Tonspur und die Worte des Mannes, die er in sein Handy spricht, dass sein Film eines Tages gesehen werden wird, verleihen der Szenerie eine leise Melancholie. Zwei der Geschichten, die wir eben gesehen haben, spielten sich in Autos ab, und so verweisen die vielen Fahrzeugen in diesem letzten Bild auch darauf, dass es in der großen Stadt tausende weitere Geschichten gibt, mit denen sich noch viele andere Filme wie dieser füllen ließen.
Der Filmemacher taucht in verschiedenen der Episoden auf, die mal lose miteinander verbunden sind, dann wieder ganz für sich stehen. Als Chronist alltäglicher Geschichten aus dem Teheran der Gegenwart ist er gewissermaßen das Alter Ego der Regisseurin Rakhshan Bani-Etemad und anhand dessen, was ihm im Film widerfährt, lassen sich auch die Schwierigkeiten ablesen unter dem iranischen Regime Filme zu machen. Der Kampf mit den Behörden, um Drehgenehmigungen zu bekommen. Die Beschlagnahmung seiner Kamera durch die Polizei als er ArbeiterInnen filmt, die gegen die Schließung ihrer Fabrik protestieren, den Lohn einklagen wollen, der ihnen seit Monaten nicht gezahlt wurde. Bani-Etemad selber drehte, um die Zensur zu umgehen, eine Reihe von Kurzfilmen, die sie später zu einem abendfüllenden Film zusammenfügte.
Eine Arbeiterin wird von einem Kollegen ermahnt, nicht über Politik zu sprechen, und sie antwortet mit einer Gegenfrage, ob es politisch sei, davon zu erzählen, dass ihre Kinder kaum noch etwas zu essen haben. Es geht Bani-Etemad also darum, dem Politischen im Privaten nachzuspüren, indem sie sehr persönliche Geschichten erzählt, die oftmals nur aus einer einzigen Szene, einem einzigen Dialog bestehen. Die Beziehungskrisen, die sich leitmotivisch durch den Film ziehen, fügen sich zusammen zu einem Panorama einer ganzen Gesellschaft in der Krise. Es geht um Drogensucht, Prostitution, HIV, Suizidversuche, Analphabetismus, Eifersucht, menschenfeindliche Bürokratien, Arbeitslosigkeit, Armut, häusliche Gewalt, das Streben der jungen Frauen nach Selbstbestimmtheit und Gleichberechtigung und den Umgang der älteren mit patriarchalen Familienstrukturen.
Die Gratwanderung, die der Regisseurin im Großen und Ganzen gelingt, ist es, die einzelne Figur, den einzelnen Menschen nicht zu einer reinen Funktion ihrer gesellschaftlichen Versuchsanordnung verkommen zu lassen, sondern sie und ihre Schicksale ernst zu nehmen, die zugleich für größere Zusammenhänge, aber auch für sich selbst stehen. Durch die Ruhe und Konzentriertheit, die der Film ausstrahlt, schafft er es, dass seine ziemliche Überfrachtung mit Problemthemen kaum negativ auffällt. Auch findet er zu den drängenden Gefühlen seiner Figuren, ihrer Wut, Verzweiflung und Trauer eine Form, die die Zuschauenden durchaus auf einer emotionalen Ebene anzusprechen vermag, aber dabei niemals ins Rührselige kippt.
Seit Ende Oktober gibt es den Film in der Femmes Totales-Reihe von absolut Medien auf einer recht schmucklosen DVD.