Das Auto der Drogenschmuggler ist als Krankenwagen getarnt. Aus subjektiver Sicht folgen wir ihm durch ein schier endlos langes, verzweigtes Tunnelsystem; bis im Untergrund der iranischen Metropole die offiziellen Wege in geheimnisvolle inoffizielle übergehen oder sich im Klandestinen verlieren. Gleich in der ersten, langen Sequenz von Ali Ahmadzadehs preisgekröntem Film „Critical Zone“, der ohne Drehgenehmigung der Behörden unter erschwerten Bedingungen entstanden ist, taucht der Betrachter ein in eine unbekannte, fremde Welt. Große Säcke mit Drogen werden entladen und verteilt. Amir (Amir Pousti) ist einer der Empfänger, der sich kurz darauf, dirigiert und geleitet von seinem Navi, auf den Heimweg macht. Der hünenhafte Drogenkurier, der selbst ein Junkie ist, wirkt in seiner vulgären, provozierenden Körperlichkeit zunächst wenig sympathisch. Tatsächlich ist der Einzelgänger, der mit einer trägen Zwergbulldogge zusammenlebt, aber ein Dealer mit großem Herz, der ,wie er selbst sagt, „den Geist der Stadt in der Hand hält.“
Denn Amir ist Tröster, Wohltäter und Heiler der Süchtigen, Kranken und seelisch Versehrten. Nachdem er den Stoff portioniert, verpackt oder auch zu Haschisch-Cookies verarbeitet hat, begibt er sich in seinem Auto auf den Weg durch die nächtliche Stadt. Dabei sind seine Treffen erstaunlich gut geplant und organisiert. Ali Ahmadzadeh entwickelt aus diesem minimalen Plot, der nicht zuletzt durch die Produktionsbedingungen begrenzt ist, ein Roadmovie entlang bestimmter markanter Stationen. So spielt der größte teil des episodisch strukturierten Nachtfilms im Auto und bei schummrigem Licht. Rauschhafte, surreale Fahrten mit verwirrenden, geradezu delirierenden Perspektiven und im Zeitraffer, unterlegt mit sphärischen Sounds und akustischen Verfremdungseffekten, erzeugen einen expressiven, magischen Realismus. Kontrastiert und in Spannung versetzt wird dieser durch dokumentarische Szenen, in denen menschliches Elend, aber auch die Sehnsucht nach einem anderen, freieren Leben zum Ausdruck kommen.
So besucht Amir etwa ein Altersheim, um sein gedoptes Gebäck an die teils apathischen und müden Insassen zu verteilen, die in ihren helleren Momenten Gedichte rezitieren. Bezeichnenderweise wird später ausführlich auf einer der Fahrten aus Forugh Farrochsads prophetisch-apokalyptischem Langgedicht „Irdische Offenbarung“ zitiert: „In den Höhlen der Einsamkeit/ Kam die Sinnlosigkeit zur Welt/ Das Blut roch nach Opium und indischem Hanf/ (…) Sümpfe von Alkohol, voll/ Beißender, giftiger Dämpfe/ Zogen Scharen trockener Intellektueller/ Hinab in ihre Tiefen“.
Ebenso ausführlich und intensiv werden Amir und seine meist weiblichen Kontakte beim Drogenkonsum gezeigt. Einmal müssen sie auf einer rasanten Fahrt Verfolger abschütteln, was Ali Ahmadzadeh zu einem Akt der Befreiung überhöht. In einer anderen Szene, am Ende seines langen Arbeitstages, verwandelt sich Amir in einen Arzt, der mit seinen illegalen Substanzen einem jungen, multipel intoxikierten Mann hilft.
Das innere, verborgene und das äußere Leben, das „Draußen“ und „Drinnen“, wie es einmal heißt, stehen in einer permanenten Spannung. Amir hat sich in einer Art inneren Emigration damit arrangiert. Ali Ahmadzadeh lebt in seinem Heimatland selbst in einer solchen. In „Critical Zone“ zeige er das „unterirdische Teheran“: „Wild, müde und krank.“ Mit seinem unerschrockenen Helden porträtiert er zugleich einen ebenso bestimmten wie zärtlich zugewandten Heiler der Versehrten und Vernachlässigten am Rande der Gesellschaft.