Antonio Banderas kann seine Frau nicht befriedigen. Mit dieser Pointe beginnt Halina Reijn ihre „spielerische und bescheidene Antwort auf das männliche ‚Eyes Wide Shut'“, wie sie sagt. Während Stanley Kubrick in seinem letzten Film, der 1999 herauskam, „die Thematik Monogamie“ nur aus der Sicht des Mannes behandelt habe, wollte die niederländische Regisseurin wissen, was gewesen wäre, wenn der weibliche Part außereheliche Fantasien ausgelebt hätte.
Reijn hat Tom Cruise, der (nicht nur) in Stanley Kubricks Film Nicole Kidmans Ehemann war, in „Babygirl“ gegen das gealterte Sexsymbol Antonio Banderas ausgetauscht: Dem Theaterregisseur Jacob gefällt es gar nicht, wenn seine Gattin Romy, toughe CEO eines Amazon-artigen Megakonzerns, sich im Bett unterwürfig zeigt und für ihre beiden Töchter das Tradwife mit Schürze spielt. Ihren Meister findet die fortan zwischen Unnahbarkeit und Kontrollverlust taumelnde Romy – eine Performance, die Kidman den Preis als beste Darstellerin in Venedig eingebracht hat – in einem blutjungen Praktikanten (Smart Ass Harris Dickinson in seinem ersten Not-so-erotic-Drama). Da schrillen natürlich alle Alarmglocken: Machtmissbrauch, me too! Aber wer manipuliert hier wen?
Der Wunderknabe widerspricht Jacobs Überzeugung, masochistische Frauen seien eine Männerfantasie, durchschaut die heimlichen Gelüste seiner Vorgesetzten und richtet sie ab wie ein Hündchen, das gelobt werden will: „Good girl!“
Die Ausgangskonstellation und einzelne Szenen ähneln auffallend der schwedischen Netflix-Serie „Liebe und Anarchie“, in der das ungleiche Liebespaar sich jedoch wechselseitig Mutproben unterzieht und sehr viel prickelnder und witziger auch kapitalistische Hierarchien aufmischt.
Reijn, die sich gegen verklemmte US-Moralvorstellungen wenden will, bleibt ihnen indes verhaftet. Nach ihren eigenen Erfahrungen als Schauspielerin setzt sie zwar weniger auf Nacktheit als ihre das Erotikgenre dominierenden männlichen Kollegen, arbeitet mit einer Intimitätskoordinatorin und will an das Tabu des Orgasm-Gap rühren. „Es gab Drehtage, an denen ich dachte: ‚Ich will keinen Orgasmus mehr haben'“, vertraute Kidman dabei dem britischen Boulevardblatt „The Sun“ an, was auch diverse deutsche Medien zu schlüpfrigen Schlagzeilen verleitete wie „Zu viele Orgasmen: Nicole Kidman musste ‚Babygirl‘-Dreh unterbrechen“ („Musikexpress“).
Gleichzeitig will Reijn eine Frau zeigen, „die neu beginnt, ohne dafür bestraft zu werden“, wie es sonst in Filmen (und in Ibsens Tragödie „Hedda Gabler“, die Jacob hier rein zufällig gerade am Theater inszeniert) üblich ist. Aber der vermeintliche Neubeginn in „Babygirl“ ist erstens nur mit Hilfe eines Alphamännchens möglich und mündet zweitens in die Rückkehr zur Kleinfamilie. Seitensprünge gehören nach wie vor vergeben.
Der gerade wieder zum „sexiest man alive“ gekürte Banderas legt das Drehbuch auch nicht gerade emanzipatorisch aus: Während „Political Correctness zu einer Zensur der Künstler geführt“ habe, habe Reijn „die Kraft und den Mut, Dinge auf die Leinwand zu bringen, die wir alle denken. Wir sind in gewisser Weise Gefangene unserer eigenen Instinkte. Wir sind Tiere.“ Immerhin hat Jacob am Ende des Films eine andere Sextechnik erlernt: Fuck Penetration.
Diese Kritik erschien zuerst am 31.01.2025 in: ND