Anna Strishkowa war ein Kind, als sie nach Auschwitz kam. Doch sie hat das Konzentrationslager damals überlebt, wurde adoptiert. Später machte sie als Biologin in der Sowjetunion Karriere. Zeit für die Suche nach Spuren ihrer Herkunft hatte sie nicht. Jetzt im hohen Alter sieht das anders aus. Gemeinsam mit dem Fotografen Luigi Toscano wertet sie für seinen Film „Schwarzer Zucker, rotes Blut“ die spärlichen Dokumente ihrer Vergangenheit aus.
Eines ist ein uralter Film über Kinder aus den Konzentrationslagern, in dem sie auch gezeigt wurde; kurz blitzt darin ihre Häftlingsnummer auf, die ihre Pflegeeltern hatten entfernen lassen. Strishkowa stellt Nachforschungen anhand der Nummer an, es müssten doch Unterlagen in den Archiven existieren, auch wenn die Nazis viele Dokumente 1945 vernichtet haben. Nichts ist zu finden. Doch bald stellt sich heraus, dass die Nummer einen Zahlendreher enthält, die Sachlage ändert sich. Nach und nach kann das frühe Leben Strishkowas rekonstruiert werden. Ihr Dorf war von der Wehrmacht überfallen worden, die Bewohner erschossen oder gefangen genommen, die Häuser in Brand gesetzt.
Die Dreharbeiten gestalten sich kompliziert: Kurz bevor die Arbeiten am Filmprojekt starten, ist der der Krieg in der Ukraine ausgebrochen, die Dreharbeiten finden unter erschwerten Bedingungen statt. Strishkowa, schon über 80, will aber auf jeden Fall an dem Projekt festhalten, sie sieht darin die Chance, etwas über ihre Kindheit und Herkunftsfamilie zu erfahren. So gelangen sie an Informationen, die auf Annas wahre Identität hinweisen. Und es tauchen sogar Hinweise auf, dass mögliche Geschwister noch leben.
Dieser insgesamt berührende und spannende Dokumentarfilm ist im Stile einer Realfiction-Reportage gedreht; ein streckenweise gewollt rasantes Erzähltempo und die Schnittfolge wirken zum Teil aufgesetzt und unangebracht; ebenso springt der Regisseur selbst oft im Bild rum, wo mehr Zurückhaltung angebracht wäre. Animationen ersetzen Bilder der Vergangenheit. Dennoch zeigt der Film, wie schwierig sich eine solche Recherche gestalten kann, wie viel Arbeit darin steckt, aber auch, wie erfolgreich ein solches Erinnerungsprojekt immer noch sein kann. „Niemals vergessen“ – das ist im Fall der Anna Strishkowa ein gelungenes Unterfangen.
Diese Kritik erschien zuerst am 21.11.2024 auf: links-bewegt.de