Die Fotografin

(GB/USA/NO/AU/IE/SG 2024; Regie: Ellen Kuras)

Bilder des Krieges

Kate Winslet spielt Lee Miller, die bekannteste Kriegsfotografin der 1940er Jahre, als hochenergetische Künstlerin. Die 1907 geborene Lee Miller kam auf Umwegen zur Pressefotografie. Zunächst absolvierte sie eine komplette Karriere als Model. Der Surrealist Man Ray entdeckte sie für die Bildende Kunst. Bei ihm wechselte sie immer öfter auf die andere Seite der Kamera. Bereits ihr Vater hatte sie in der Funktionsweise verschiedener Apparate unterrichtet. Sie veröffentlichte bald erste eigene Arbeiten und gründete ein eigenes Studio.

Die Liebe zu dem Kunsthändler Roland Penrose führte sie zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach England. Nachdem sie verschiedene Reisereportagen veröffentlicht hatte, stand nun ihr Lebenswerk an: Einige Hindernisse musste sie beiseiteräumen. Die englische Armee erlaubte Frauen nicht, als Kriegsreporterinnen zu arbeiten. Erst die US-Armee ebnete ihr den Weg, und sie wurde eine der wenigen Fotoreporterinnen, die in den Kämpfen der Alliierten fotografierten, gern an vorderster Front. Interessanterweise arbeitete sie für die britische Ausgabe der Modezeitschrift Vogue, nicht für ein Nachrichtenmagazin; für Vogue wie Miller ein Wagnis: Würden die Leserinnen krasse Bilder des Krieges goutieren?

Dafür sorgte dann die Reporterin selbst: Miller gelangen mit die ikonischsten Bilder des Zweiten Weltkrieges und der unmittelbaren Nachkriegszeit, etwa als sie in den Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald nach der Befreiung fotografierte. Das bekannteste von allen knipste sie paradoxerweise nicht selbst: In Adolf Hitlers Münchner Wohnung ließ sie sich in der Badewanne von ihrem engen Kollegen David E. Scherman ablichten.

Der Film „Die Fotografin“ rekapituliert die wichtigsten zehn Jahre dieser Reporterin. Kate Winslet gibt sie als energische Journalistin, die sich der Öffentlichkeitswirksamkeit ihrer Arbeit bewusst ist und sich gegen die oft übermächtige männliche Konkurrenz durchzusetzen weiß. Miller ist aber auch eine Akteurin, die die Gefahr offensiv sucht und ein gutes Gespür für ihre Arbeit hat. Sie begleitet Kampfeinsätze und trägt selbst Uniform.

Eingebettet in eine lose konstruierte Rahmenhandlung – Miller ist in fortgeschrittenem Alter und berichtet in einem fiktiven Interview beim Anschauen archivierter Fotos aus ihrem ereignisreichen Leben – werden die Zuschauer Zeuge ihrer beruflichen wie privaten Turbulenzen. Dabei kehrt sie auch immer wieder im Gespräch mit Kollegen und Soldaten zu der Frage zurück, wie weit man mit der Berichterstattung gehen kann oder muss, und inwiefern Bilder des Krieges den Krieg selbst mitbestimmen.

Der Blick aufs Private konzentriert sich auf ihre Beziehungen zu verschiedenen Männern, was sich leider allzu oft in Szenen voller Zigarettenrauch und Alkoholkonsum erschöpft. Hier wäre ein Blick in ihre Zeit als Kind, Jugendliche und junge Frau besser gewesen. Denn hier, und dafür findet der Film keine adäquate Darstellungsform, wäre viel zu erzählen gewesen: von in frühester Kindheit erlittenen Missbrauchserfahrungen, vom Leben als traumatisierter Teenager in der Zwischenkriegszeit und ihren Anfängen in der Kunst.

Diese Kritik erschien zuerst in: M – Menschen Machen Medien

Der Fotograf
(Lee)
Großbritannien/USA/Norwegen/Australien/Irland/Singapur 2024 - 116 min.
Regie: Ellen Kuras - Drehbuch: Liz Hannah, Marion Hume, John Collee - Produktion: Kate Winslet, Kate Solomon - Bildgestaltung: Pawel Edelman - Montage: Mikkel Nielsen - Musik: Alexandre Desplat - Verleih: Studiocanal - FSK: ab 12 - Besetzung: Kate Winslet, Andy Samberg, Josh O'Connor, Alexander Skarsgård, Marion Cotillard, Andrea Riseborough, Noémie Merlant
Kinostart (D): 19.09.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt5112584/
Foto: © Studiocanal