Die bäuerliche Lebenswirklichkeit im Polen des ausgehenden 19. Jahrhunderts ist weit weniger idyllisch, als dies die Einleitung von DK und Hugh Welchmans neuem Film „Das Flüstern der Felder“ nahelegt. Der mehr nüchterne als poetische internationale Titel „The peasants“, der direkt denjenigen des mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichneten Roman-Zyklus „Die Bauern“ (1902-1908) von Władysław Reymont zitiert, spiegelt diesen Kontrast. So tanzt zu Beginn des ungewöhnlich gestalteten Animationsfilms, der reale Spielszenen mit nachträglichen Übermalungen der Bilder kombiniert, eine junge, schöne Frau durch ein wogendes, gelbes Blütenmeer. Verfolgt von einer sehr dynamischen Kamera trägt der Wind Pollen der Pusteblumen übers Land, die kurz darauf in einen Vogelflug übergehen. Jagnas (Kamila Urzędowska) Blick auf die Welt ist magisch. Verträumt und eigensinnig gestaltet sie aus ihren Beobachtungen fantasievolle Scherenschnitte. Neben ihrer künstlerischen Begabung ist es vor allem ihre Begehrlichkeiten weckende Schönheit, die sie unter den Dörflern zur Außenseiterin macht und so zu Widerspruch und Konflikten führt.
„Ich wünschte, ich könnte mich an den Wolken festhalten und einfach um die Welt fliegen“, sagt die nach Unabhängigkeit strebende Jagna. Diese ist heimlich in den jungen Familienvater Antek (Robert Gulaczyk) verliebt, einen zornigen, eifersüchtigen Mann, der gegen seinen Vater, den reichen Bauern Boryna (Miroslaw Baka), rebelliert. Doch auch der Witwer wirbt um die begehrte Jagna und investiert außerdem beträchtliche Landgüter, damit es schließlich zur Verheiratung kommt. Darüber eskaliert der Streit zwischen Vater und Sohn. Die beiden entzweien sich und ein rauschendes, von ausgelassenen Tänzen begleitetes Hochzeitsfest markiert den Schlusspunkt und zugleich den Beginn weiterer, zunehmend gewalttätigerer Konflikte. Dabei geht es nicht nur um Erbstreitigkeiten und den Kampf um Grund und Boden, sondern auch um die rivalisierenden Auseinandersetzungen um eine Frau, die der von seiner Leidenschaft zerfressene Antek einmal als „heilige Erde“ apostrophiert, und die doch vor allem nach persönlicher Freiheit strebt.
Nach dem Wechsel der Jahreszeiten gegliedert, folgt der Film einem zerstörerischen Begehren, das zusätzlich durch die Habgier, den Neid und die Eifersucht der Dorfbevölkerung geschürt wird. Das episch angelegte Drama wird dabei von musikalisch-folkloristischen Elementen flankiert und in delirierenden Tänzen zugespitzt, während die Gefühle der Protagonistin in Tier- und Natursymbolen veranschaulicht werden. Nach ihrem umjubelten Film „Loving Vincent“ haben die Welchmans erneut mit einer Hundertschaft bildender Künstler und Künstlerinnen die Hintergründe der gedrehten Spielszenen mit Ölfarbe gemalt und sich dabei an der Landschaftsmalerei der dargestellten Zeit orientiert, um durch deren Vorbild eine authentische Atmosphäre zu schaffen und Stimmungen zu vertiefen. Im Verbund mit den flirrenden, ständig wechselnden Schatten auf den Gesichtern der Figuren entstehen so immer wieder beeindruckende Panoramen und Porträts. Schließlich gelingt es der wiederholt gedemütigten Jagna, durch die Hölle aus Schimpf und Schande hindurch zu einer neuen, reinigenden Selbständigkeit zu finden.