Das „Shahid“ im Namen der iranischen Regisseurin Narges Shahid Kalhor steht für „Märtyrer“. Der Namenszusatz stammt aus Zeiten der vorletzten Jahrhundertwende, Kalhors Urgroßvater galt als Kriegsheld; einer, der sich im Kampf geopfert hat. Doch Kalhor will mit so einer Bürde nicht länger leben. Die junge Frau möchte ihn loswerden. Denn ein Märtyrer ist auch immer ein Toter, findet sie.
Sie lebt und arbeitet in Deutschland, wozu so ein martialischer Name. Um ihn aus den Registern, Ausweisen und sonstigen Papieren streichen zu lassen, startet sie ihre Reise durch die deutsche und iranische Verwaltung. Denn sie hat die Staatsbürgerschaften beider Länder, und die iranische kann man schon mal nicht ablegen. 2009 hat sie in Deutschland politisches Asyl beantragt und gefunden. Eine Namensänderung muss nun in allen Unterlagen erfolgen.
Damit dieses Unterfangen an die Öffentlichkeit kommt, begleitet sie sich quasi selbst in ihrem Film „Shahid“. Ihre Rolle auf der Reise durch die Bürokratie wird von der Schauspielerin Baharak Abdolifard übernommen. Alsbald stellen sich surreale Momente ein. Der Urgroßvater erscheint ihr inmitten einer Tänzergruppe, will ihr das Vorhaben ausreden. Er hat gute Gründe, immerhin soll er als Kämpfer für die Revolution gestorben sein. Das will er auch weiterhin gewürdigt wissen. Das bayerische Kreisverwaltungsreferat schickt sie zum Psychologen, der auch mit seinem Namen kämpft: Der Mann heißt Rippentrop, genau wie der Außenminister im Nationalsozialismus.
Politisches Drama wie verzweifelt-spaßige Komödie ist dieser Film, der längst Vergangenes mit der Gegenwart verbindet und in kein gängiges Format passt: Ihr Film fordere heraus, „nicht nur im Erscheinungsbild, sondern auch in der Erzählung. Er strebe danach, neue Narrative auf die Leinwand zu bringen“. Das „Cinemigrante“ – das Kino aller Gesichter und ihrer Geschichten in der westlichen Welt – und die Weiblichkeit fehlten heutzutage immer noch sehr in der Filmindustrie, so Kalhor. Nun, hier ist zumindest eine dieser vermissten Sichtweisen: äußert quirlig mit doppeltem Boden, autofiktional.
Diese Kritik erschien zuerst am 01.08.2024 auf: links-bewegt.de