Schier grenzenlos erstreckt sich die weite Ebene der Pampa im äußersten Zipfel Feuerlands, wo tief hängende Wolken und ein milchiges, fahles Licht den Eindruck von Weite noch verstärken. Hier stehen im Jahr 1901 raue Männer im heftigen Wind, um für die Schafzucht des herrschsüchtigen Großgrundbesitzers José Menéndez (Alfredo Castro) einen schnurgeraden Zaun bis zum Atlantik zu errichten. Die strapaziöse Arbeit ist hart und gefährlich. Wie Sklaven werden die rechtlosen Tagelöhner schikaniert und gnadenlos bestraft. Ein Schwerverletzter wird erschossen, weil er durch die Einbuße seiner Arbeitskraft nicht mehr „von Nutzen“ sei, wie der brutale Aufseher Alexander MacLennan (Mark Stanley) meint. Der angebliche englische Leutnant ist in Wirklichkeit ein abgehalfterter schottischer Matrose, der für Don José, den „König des weißen Goldes“, wie das erste Kapitel von Felipe Gálvez‘ Langfilmdebüt „Los colonos“ überschrieben ist, die indigene Bevölkerung, vom Kolonisator als „Bestien“ bezeichnet, töten soll.
Für die Durchführung dieser sogenannten „Säuberung“ werden dem „Leutnant“ der ortskundige Scharfschütze Segundo Molina (Camilo Arancibia) sowie der skrupellose Kopfgeldjäger Bill (Benjamín Westfall) an die Seite gestellt. Das Verhältnis des mörderischen Trios ist angespannt und von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Vor allem zwischen dem autoritären Anführer MacLennan („Wenn ich das Sagen habe, entscheide ich, was notwendig ist.“) und dem nicht minder grobschlächtigen Texaner Bill gibt es immer wieder Streit und Machtkämpfe, während der schweigsame Mestize Segundo gezwungen ist, sich zwischen verschiedenen Fronten einzurichten. Als es zum blutigen Massaker an einer wehrlosen Gruppe von Indigenen kommt, hält sich der innerlich zerrissene Segundo zurück, kann dabei aber nur mühsam seine Wut unterdrücken. Auf ihrer mörderischen Mission treffen die Gewalttäter im Weiteren sowohl auf Vertreter einer um Zivilisierung bemühten Aufklärung als auch auf ihr eigenes dunkles, noch destruktiveres Spiegelbild.
Angelehnt an historische Figuren und Tatsachen zeichnet Felipe Gálvez in seinem düsteren und schonungslos pessimistischen Neo-Western „Los colonos“ das blutige Bild einer verdrängen Geschichte rücksichtsloser Landnahme. Willkür, Gesetzlosigkeit und Gewalt werden zu Kennzeichen einer widerrechtlichen Kolonisierung, die noch immer nicht zu Ende ist. Wenn Jahre später ein Vertreter der Regierung Segundo aufsucht, um vergangene Verbrechen aufzuklären und dem Indigenen zu bescheinigen, er sei „Teil der Nation“, ist das nur eine „zivilisierte“ Form der Aneignung und der politischen Instrumentalisierung. Als „Gegenaufklärung“ dazu implementiert der chilenische Regisseur seinem visuell ausdrucksstarken Film in gedehnten, fast surrealen Momenten immer wieder Nahaufnahmen von Augen und Blicken als Bilder der leidenden Kreatur und eines anderen, mythischen Wissens.