Stella. Ein Leben

(DE 2023; Regie: Kilian Riedhof)

Opfer und Täterin

Stella Goldschlag (Paula Beer) ist jung und schön. Blond, blauäugig und lächelnd steht die 18-Jährige vor dem Spiegel, schminkt sich die Lippen und küsst kurz darauf ihr Spiegelbild. Stella ist selbstverliebt und abenteuerlustig, ehrgeizig und ein bisschen bockig. Als Sängerin einer enthusiastisch swingenden Jazz-Combo will sie hoch hinaus. Übertrieben ausgelassen feiert sie mit ihren jungen Freunden einen ersten Erfolg. Dass sie außerdem aus einer jüdischen Familie stammt, die sich im Berlin des Jahres 1940 zunehmend sorgenvoll um eine Ausreisebewilligung bemüht, spielt für sie kaum eine Rolle. Nach einem Zeitsprung in den Winter 1943 arbeitet sie unter Zwang in einer grauen, trostlosen Rüstungsfabrik unter der ständigen Drohung, deportiert zu werden. Ihr Gesicht ist jetzt blass und ausgezehrt. Die Angst geht um. Und der Judenstern an ihrem Mantel kennzeichnet sie als Ausgestoßene.

Von Anfang an inszeniert Kilian Riedhof in seinem Film „Stella. Ein Leben“ harte, plakative Kontraste, die bewirken, dass das Dargestellte immer etwas größer und übertriebener erscheint als die Wirklichkeit, auf die sich der Film beruft. Denn tatsächlich basiert dieser auf historischen Tatsachen, wovon man allerdings kaum etwas bemerkt, da der Film mit hoher Beschleunigung durch die Szenen hastet. Im clip-ästhetischen Montage-Gewitter wechselnder Einstellungen und Perspektiven bleibt die erzählerische Stringenz leider auf der Strecke. Ein solches Verfahren produziert kaum mehr als Abziehbilder von Gefühlsklischees. So kollidiert in „Stella. Ein Leben“ der Anspruch auf Authentizität mit der künstlichen Reproduktion eines unechten Lebens. Wenn irgendwann später, im Bombenhagel von Berlin, Wagners (durch Coppolas „Apocalypse now“) filmgeschichtlich vorbelasteter „Ritt der Walküren ertönt, während Stella mit ihren „delinquenten“ Freunden anarchisch tanzt, gesellen sich zur Inhaltsleere solcher Inszenierung auch noch Missverständnisse.

Stella ist zu diesem Zeitpunkt bereits untergetaucht und führt zusammen mit dem überheblichen Verführer und leichtsinnigen Ausweisfälscher Rolf Isaaksohn (Jannis Niewöhner) ein klandestines Leben. Ihr Opportunismus, ablesbar an krummen Geschäften und ihrer Beziehung zu einem NS-Offizier, deutet sich hier bereits an. Als die beiden verraten und verhaftet werden, brechen sie unter dem Druck brutaler Folter schließlich zusammen und wechseln die Seiten. Um ihr Leben zu retten, wird Stella für die Gestapo zur eiskalten Denunziantin, die als sogenannte „Greiferin“ Juden verrät. Der Film zeigt in diesen Passagen eine höchst widersprüchliche Figur, die als Opfer zur Täterin wird. Zumindest nach außen hin scheint Stella, die 1957 vor Gericht steht, ein Unrechtsbewusstsein nicht zuzulassen. Doch andererseits, tief in ihrem Innern, so legt es Riedhofs Film nahe, leidet sie bis an ihr Lebensende unter verdrängen Schuldgefühlen.

Hier gibt es eine weitere Kritik zu „Stella. Ein Leben“.

Stella. Ein Leben
Deutschland 2023 - 116 min.
Regie: Kilian Riedhof - Drehbuch: Marc Blöhbaum, Jan Braren, Kilian Riedhof - Produktion: Katrin Goetter, Günther Russ, Michael Lehmann - Bildgestaltung: Benedict Neuenfels - Montage: Andrea Mertens - Musik: Peter Hinterthür - Verleih: Majestic Filmverleih - Besetzung: Paula Beer, Jannis Niewöhner, Katja Riemann, Damian Hardung, Joel Basman
Kinostart (D): 25.01.2024

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt13506526/
Foto: © Majestic Filmverleih