Auf der Kippe

(DE 2023; Regie: Britt Beyer)

Das Ende der Kohle

Der Kohleausstieg ist beschlossen, die Lausitz wird umstrukturiert. Zumindest sehen so die politischen Pläne aus. Die Region, die vom Braunkohleabbau ganz sprichwörtlich geprägt ist, soll umgebaut werden, weg vom Tagebau hin zu irgendwas mit Zukunft. Denn die Kohle, bisher Grundlage der Stromproduktion, wird nicht mehr benötigt in der kommenden Nachhaltigkeitsrepublik, auch wenn die Zahlen derzeit was ganz anderes sagen: Weil Erdgas teuer geworden ist und die Atomkraftwerke abgeschaltet wurden, laufen die Kohleturbinen ganz anders als geplant auf Hochtouren.

Dennoch: 2030 soll Schluss sein mit der Kohleförderung rund um Cottbus. Wie sich der Wandel bereits ankündigt, ist das Thema von Britt Beyers Dokumentarfilm „Auf der Kippe“. Im Zentrum stehen Menschen, die bisher mit der Kohle gelebt und gearbeitet haben und sich demnächst was anderes suchen sollen.

Der Oberbürgermeister der Stadt Weißwasser, Torsten Pötsch, gibt sich alle Mühe, Pläne für die Zukunft zu entwerfen. In alten Fabrikgebäuden sieht er Konzertsäle, in leerstehenden Wohnsiedlungen vielleicht Vororte von Berlin, bis der Investor doch wieder abspringt. So eine Transformation gelingt nicht von heute auf morgen. Müßig zu sagen, welche politischen Parteien im sächsisch-brandenburgischen Grenzgebiet die Umfragen anführen.

Silke Butzlaff ist Baggerführerin im Tagebau Welzow Süd und weiß zu berichten, dass das mindestens die zweite große Desindustrialisierung der Lausitz wird. Gleich nach der Wende hat es die Glasindustrie in der Region erwischt, viele Menschen sind schon damals weggezogen.

Umweltaktivistin Rebekka Schwarzbach sieht jetzt schon Probleme in der Renaturierung der Landschaft durch den Braunkohlekonzern, die wohl darin bestehen wird, die Braunkohlegruben mit Wasser volllaufen zu lassen, das gar nicht da ist.

Und dann kommt noch Lars Katzmarek zu Wort, Ausbilder, Betriebsrat, Rapper. Er glaubt nicht an die vielen Versprechungen. Seine Mutter hat ihren Job im Bergbau verloren, sagt er, obwohl doch moderne Arbeit allerorten versprochen wurde. „Gebt uns eine Zukunft, gebt uns ’ne Perspektive… Kompetenzen vorhanden, die Fachkräfte sind hier“, singt der Gewerkschafter. „Lars, es war schön, mit dir zu arbeiten, aber ich muss leider meine Koffer packen und gehen“, verkünden ihm seine jüngeren Kollegen.

Regisseurin Beyer gelingt ein informatives, sehenswertes (wenn auch aufgrund grauslicher Klarinetten-Untermalung nicht unbedingt immer hörenswertes) Porträt dieser einstmals gefragten Industrieregion, allerdings in Form eines Abgesangs. Ein Blick hinein in die Abwicklung vermeintlich alter Industrien, mit allem, was dranhängt.

Diese Kritik erschien zuerst am 11.10.2023 auf: links-bewegt.de

Auf der Kippe
Deutschland 2023 - 86 min.
Regie: Britt Beyer - Drehbuch: Britt Beyer - Produktion: Thomas Kufus - Bildgestaltung: Frank Amann, Markus Lenz - Montage: Janine Dauterich, Sandra Brandl - Musik: Rolf Kühn, Joachim Kühn - Verleih: Real Fiction - Besetzung: -
Kinostart (D): 12.10.2023

IMDB-Link: https://www.imdb.com/title/tt27597054/
Foto: © Real Fiction