Auf dem Laufband der Supermarktkasse stapeln sich riesige Fleischmassen. Währenddessen ist Ansa (Alma Pöysti) an den Regalen damit beschäftigt, unter dem stieren Blick eines Security-Mitarbeiters neue Produkte auszuzeichnen und Waren mit überschrittenem Ablaufdatum zu „entsorgen“. Als sie einmal einem Bedürftigen erlaubt, abgelaufene Lebensmittel mitzunehmen und selbst ein vakuumiertes Brötchen einsteckt, wird sie denunziert, vom Chef zur Rede gestellt und kurzerhand entlassen. „Zeit ist Geld“, hält ihr der Betreiber eines überteuerten Internetcafés entgegen, als sich Ansa dort online auf Stellensuche begibt. Und als sie schließlich ihren neuen Job als Spülkraft in dem von trostlosen Trinkern frequentierten „California Pub“ antritt, macht der zwielichtige Boss keinen Hehl daraus, dass er ihre Arbeitskraft hemmungslos ausbeutet. Für Ansa ist die Spelunke indes nur ein weiterer Zwischenstopp auf dem Weg zum nächsten mehr oder weniger üblen Job.
Auch in seinem neuen illusionslosen Film „Fallende Blätter“ widmet sich Aki Kaurismäki in der für ihn typischen Mischung aus Melancholie, Tristesse und trockenem Humor den Außenseitern und Verlierern am Rande der Gesellschaft. Zu ihnen gehört auch Holappa (Jussi Vatanen), der seine staubige Arbeit auf dem Bau regelmäßig mit Alkohol hinunterspült und deshalb ebenfalls gefeuert wird. Dazu verliert er auch noch sein Bett in einer schäbigen Arbeiterbaracke. Einmal erklärt er seinem Kollegen den Circulus vituosus, in dem er sich befindet: „Ich bin deprimiert, weil ich so viel trinke; und ich trinke so viel, weil ich deprimiert bin.“ Darüber ist er einsam geworden, was ihn aber nicht zu stören scheint. Auch Ansa ist einsam, wenn sie abends allein und freudlos in ihrer kleinen Wohnung sitzt und wieder einmal die Radionachrichten ausstellt, als diese die neuesten Horrormeldungen aus dem Ukrainekrieg senden.
Natürlich lässt der finnische Regisseur auch diesmal seine traurigen Helden nicht ohne Hoffnung und schickt sie auf die wechselseitige Suche nach dem jeweils anderen. In der Logik von Kaurismäkis einmal mehr sehr lakonisch und statisch erzählten Liebesgeschichte, für die es nicht viele Worte braucht, es aber umso mehr sprechende Bilder gibt, bleibt das nicht ohne Rückschläge und absurde Verfehlungen. Die Begegnungen, die zufällig oder geplant dazu führen, finden statt in Cafés, an einer Bushaltestelle oder auch in jenem Filmkunsttheater namens „Ritz“, wo die beiden Jim Jarmuschs Zombie-Satire „The dead don’t die“ sehen. Außerdem wird die Handlung begleitet und kommentiert von einer Reihe finnischer Tangos und wehmütiger Schlager, in denen die Liebessehnsucht und der Schmerz über vergebliche Gefühle besungen werden. Selbstverständlich huldigt Kaurismäki in seiner sehr kunstvoll und genau komponierten Tragikomödie auch diesmal dem Stummfilm – und zwar nicht nur stilistisch. Vor allem aber inszeniert er mit gedeckter Farbigkeit ein ebenso unwahrscheinliches wie romantisches Liebesmärchen gegen die Kälte des Kapitalismus, gegen (patriarchale) Ausbeutung und Krieg.