„Wir waren wie eine große Empanada voll mit Verbotenem“, sagt die Aktivistin, die damals dabei war: Als Europas letzter faschistischer Diktator Francisco Franco im Jahr 1975 stirbt, explodiert das Leben in Spanien. Sein Tod beendet eine Ära der Angst und Unterdrückung, macht den Weg frei für eine erlebnishungrige Jugend, die einiges nachzuholen hat. An Leben, Demokratie und Freiheit. Nach Jahrzehnten der Reaktion kommen auch exilierte Kämpfer aus dem spanischen Bürgerkrieg wieder ins Land, in den Fabriken rumort es… Es herrscht der entusiasmo, die Begeisterung – und der Aufbruch ist generationenübergreifend. Der Übergang von der Diktatur ins Leben – die transición – schien vieles möglich zu machen.
Der Kulturwissenschaftler Luis E. Herrero zeichnet in seinem ersten Langfilm die Entwicklung der Ereignisse nach. Aber er orientiert sich nicht an der offiziellen Geschichtsschreibung. Im Zentrum von „El Entusiasmo“ stehen die Zeitzeugen aus dem Lager der Anarchisten und Syndikalisten und ihre Organisation, die unabhängige Gewerkschaft Confederación Nacional del Trabajo (CNT). Sie, die vor der Herrschaft Francos eine Rolle in der spanischen Gesellschaft gespielt hatte, erlebt Mitte der 1970er Jahre ihre Wiedergeburt im Großen.
Innerhalb kurzer Zeit wird aus einer kleinen Untergrund-Gruppierung eine Massenbewegung. „Wir hatten Dynamit im Herzen“, wie es im Film heißt: Versammlungen mit hunderttausenden Teilnehmern, libertäre Festtage, Streiks und antikapitalistischer Widerstand stehen auf dem Programm. Die weltweite 68er-Bewegung entfaltet ihre Wirkung in Spanien mit Verzögerung, dafür aber in allen Lebensbereichen: neue Bücher, neue Aktionsformen, neue Kunst und Gesellschaftstheorien – eine Explosion von Formen und Farben.
Herrero hat eine rasante, sehr sehenswerte, eine linke Filmgeschichte dieser Zeit gedreht. Die Interviews mit den Akteuren der CNT werden von Aufnahmen von Festivals, nächtlichen Debatten und Streikszenen flankiert. Analysiert wird aber auch der Niedergang der Bewegung durch staatliche Intervention und sogar inszenierte Anschläge.
Denn in der Phase dieses Umbruchs blieben die Anarchosyndikalisten letztlich unbeachtet, wurden von den politischen Parteien ausgekontert. Den Schwung der libertären Bewegung nahm man gerne mit, ihre politischen Forderungen aber nicht. Und oft blieben dieselben franquistischen Funktionäre im Amt, die schon in der Diktatur das Sagen hatten. Aber auch interne Auseinandersetzungen taten ihr Übriges. Es kam zur Spaltung und Gründung einer – allen Ernstes – zweiten CNT (ab 1989 CGT). Heute arbeiten die beiden Gruppierungen punktuell zumindest in Katalonien zusammen.
Der Film ist ohne Förderung entstanden, mit viel Engagement der Beteiligten. „Es wäre sehr kompliziert geworden, wenn wir nicht das Vertrauen derjenigen gehabt hätten, die die unzähligen historischen Materialien zur Verfügung gestellt haben, durch die der Film lebt“, sagt Herrero. „Und da sich alles verändert, Menschen und Dinge, kann das Betrachten der Vergangenheit nur dazu dienen, die Herausforderungen der Gegenwart und der Zukunft besser zu meistern.“
Und die sind ja nicht kleiner geworden.
Diese Kritik erschien zuerst am 14.07.2022 auf: links-bewegt.de