Nach etwa einer Minute Schwarzfilm öffnet Protagonistin Elpi (Elpiniki Saranti), auf der Couch liegend, die Augen. Der Film beginnt und bleibt selbst sogleich auf dem Sofa liegen, richtet sich ein in einer Postmittagsschlafgemütlichkeit. Von irgendwoher dringt Straßenmusik nach drinnen. Elpi lauscht ihr mit einem zaghaften Lächeln im Gesicht. Die Zeit scheint stillzustehen. Von Balkonen und auf Fensterbänken gelehnt starren Menschen aus anderen Wohnungen starr ins Nichts oder auf das unsichtbare Treiben auf der Straße.
Episodisch fügen sich in „I want to return return return“ Erinnerung, Traum und Wirklichkeit zu einem Sommernachmittag im Berliner Wrangelkiez. Und so springt der Film nach Elpis Erwachen und den Menschen an ihren Fenstern zu einer älteren Frau, die wie eine 30 Jahre ältere Version Elpis aussieht. Wie von der Erzählung pausiert schaut sie aus dem Bild hinaus, denkt vielleicht an ihr jüngeres Ich auf dem Sofa, bis sie den Kopf plötzlich wendet, einen Freund im Off neben sich begrüßt und beide in einen Redeschwall verfallen, der seinerseits nur von Pausen und Unfertigem handelt: Das Leben? Ja, geht so. Der Flughafen? Wird wohl niemals fertig werden. Die Jugend von heute? Unternimmt nichts. Die Alten? Haben ausgedient.
Irgendwann setzt dann so etwas wie eine Erzählung ein. Elpi erhält einen Anruf von einer Freundin. Beide haben sich lange nicht gesehen. Sie verabreden sich für den Abend. Bis dahin verwebt sich Elpis Warten mit weiteren Geschichten aus dem Leben im Kiez: Da ist die Rede von einer Kindheit auf einer Tabakfarm in Kentucky und von der beängstigenden Entwicklung des Wohnungsmarktes. Ein Mann erzählt von der Gleichmäßigkeit, die er für sich entdeckt hat und von der er doch nicht sagen kann, ob sie ihm Zufriedenheit bringt. Ein anderer übersetzt das Gesagte für eine junge Zuhörerin. Ob sie versteht, was gemeint ist? Es wird geraucht und Bier und Kaffee an Bierbänken, von denen die Lasur abblättert, getrunken. Die Ellbogen auf die Tische gestützt.
Auf die ein oder andere Art sprechen die Menschen in „I want to return return return“ von lang zurückliegenden Tagen, der Pausierung der Gegenwart und einer sich daraus ergebenden Vertagung der Zukunft. Der Leichtigkeit sonniger Bilder auf gelbstichigem 16mm-Material ist zugleich eine beängstigende und entzeitlichte Ruhe eingeschrieben. Lange Einstellungen und feste, bewegungslose Kamerapositionen verhärten selbst die flüchtigen Momente. Einmal steht ein kleiner Junge auf dem Fensterbrett einer Wohnung im dritten Stock und wartet. Und nie wird klar, ob Elpi die Zuhörerin all dieser Gespräche und Ereignisse ist, ob sie manches nur im Vorübergehen hört und sieht, oder ob alles nur stattfindet, weil der Film anwesend ist an diesem erlahmten, für Berlin so typischen Hochsommertag.
Ein sicherlich sehr verkürzter, doch in der direkten Gegenüberstellung durchaus ergiebiger Vergleich der Darstellung Berlins im Film etwa der 1920er Jahre mit den Filmen der Berliner Schule (ab Ende der 1990er Jahre) und aktuellen Produktionen legt einen veränderten Blick auf die Stadt offen: Berlin ist in den Filmen um die Jahrtausendwende oftmals jedes Leben entzogen, die Figuren verlieren sich in der sinnentleerten Architektur der Nachwendezeit, der Lärm der Stadt hat keine Entsprechung in der Dynamik, bleibt Getöse ohne Fortkommen. In “Victoria” (R: Sebastian Schipper; D 2015) werden das Rastlose, das Suchende und die Unmöglichkeit des Entkommens aus der Stadt (und der Unterwelt) gar in eine einzige zwei Stunden dauernde Einstellung gegossen. Der Reiz Berlins, so erzählt es diese Plansequenz, liegt in der Möglichkeit, sich in der Stadt zu verlieren. Die Kehrseite dieses Sich-Verlierens ist das Empfinden in ihr zum Gefangenen zu werden.
In einem Interview zu ihrem Film „Das Glück meiner Schwester“ (D 1995) beschrieb Angela Schanelec rückblickend das Gefühl nach Berlin zu kommen einmal mit den Worten: „Ich glaubte, es wäre einfach wieder zu gehen.“ Und dann ging es nicht, bis der Gedanke verblasste und es selbstverständlich wurde da zu sein, weil auch andere blieben. Es gab und gibt ja einfach auch keine Antwort auf die Frage, wohin zu gehen sich von hier aus lohnt, weil die Angst etwas zu verpassen einem die Stadt ans Bein bindet und die Fallhöhe plötzlich zu groß ist, denn nichts ist ja größer als Berlin. Nichts holt einen so ab und lässt einen so stehen, dass man es gleich nochmal versuchen will.
Mit „I want to return return return“ gelingt Elsa Rosengren nun eine sehr genaue Zustandsbeschreibung einer Großstadt, die sich treiben lässt und zugleich sehr viel Energie in die Aufrechterhaltung einer Illusion steckt. Wir werden Zeugen einer unbestimmten Sehnsucht in den Suchbewegungen der Menschen, die gefangen sind in Wiederholungs- und Warteschleifen des Lebens und auf die Auflösung der – einer Schockstarre gleichenden – Verfassung hoffen. Etwas soll wiederkehren. Was es ist, bleibt verborgen. Nur, dass es nicht wiederkehren wird, scheint allen mehr oder weniger bewusst zu sein. Und so ist das Warten zum Berlingefühl schlechthin geworden. Man harrt in der Wohnung oder WG aus, weil man sich einen Umzug nicht leisten kann. Man harrt in schlecht bezahlten Jobs oder in Praktika aus, weil man hofft, dass das Beste noch kommt. Man harrt aus, weil es bequem geworden ist und das Ausharren sich als Lifestyle verkaufen lässt. Man harrt aus, weil es anderswo noch beschissener ist. Man harrt aus, weil das Versprechen, das einen hergelockt hat, noch nicht eingelöst wurde. Man harrt aus, weil es die anderen auch tun.
Nach einigen Umständen und Missverständnissen, der Tag ist längst müde von sich selbst geworden, treffen sich die Freundinnen dann doch noch. Nur zu sagen gibt es nichts. Und so harren sie in einer Bar aus bis zum Ende. Gott sei Dank wird noch getanzt.