Ein Film zur rechten Zeit. Die Nazis von damals und der Zweite Weltkrieg, gesehen mit den Augen eines Zehnjährigen, Erfahrungen sammelnd im Deutschen Jungvolk, der Kindersektion der Hitlerjugend. Wir sehen die Welt, den ganzen Film hindurch, mit Kinderaugen. Das ist grotesk, abgründig komisch, so ähnlich wie die Erlebnisse des Käptn Blaubär, falls Sie das Buch gelesen haben. Jojo ist auf sich gestellt. Er braucht dringend jemanden, an den er glauben kann. In der Hitlerjugend bietet sich als Lichtgestalt Adolf Hitler an. Sieh da, da tritt er schon auf, irgendwie seltsam: eine Karikatur, eine Comicfigur? Leibhaftig eher nicht. Aber Jojo, der das für die Kampfausbildung benötigte Rabbit nicht abmurksen wollte, wird gemobbt. Er braucht Hilfe.
Hallo?! Wo bleibt das Feindbild? Wo bleibt die politische Bildung? Wir haben ganz was anderes. Wir haben eine comichaft gespielte Satire, die aber nach dem ersten Drittel des Films für Jojo reichlich ernsthafte Aufgaben bereithält – Coming of Age. Mamma (Scarlet Johanssson) versteckt eine jüdische 15jährige in der Wohnung? Jojo will sich von seinem Hitler da nicht mehr helfen lassen.
Kommen wir jetzt endlich zum gängigen Feindbild? Mitnichten. Hitler, gespielt vom Regisseur Taika Waititi himself (Vater Jude, Mutter Maori), bleibt uns erhalten und mit ihm die Nazis, allesamt nicht okay, aber irgendwie doch. Beim Einmarsch der US-Truppen 1945 rettet der fieseste Nazi-Jugendführer unserem unifomierten Jojo das Leben, indem er ihn vor den US-Soldaten als Judenschwein beschimpft. Auch diesmal eine typische Balance. Die Amis erschießen die Gefangenen – mit Ausnahme von Jojo. So ging das also?
„Jojo Rabbit“ ist eine US-Produktion, gedreht, fern von Hollywood, in und um Prag. Er verlässt den Zuschauer in einer Kipplage. Es rumort weiter in ihm. Leute, sucht euer Gleichgewicht selbst! Werdet aktiv! Wenn niemand euch explizit sagt, was ihr vom Film zu lernen habt, um es in der nächsten Stunde aufzusagen, haltet euch an das, was ihr seht – und hört. Die Beatles: „Komm, gib mir deine Hand.“ Oder haltet euch an David Bowie und Brian Eno: an deren „Heroes“, sprich „Helden“! Dann seid ihr die, die das letzte Wort haben!
Diese Kritik erschien zuerst in: KONKRET 1/2020