In Maurice Pialats Meisterwerk „Van Gogh“ aus dem Jahre 1991, das sich auf die letzten Lebensmonate des Malers in Auvers-sur Oise konzentriert, ist der Mensch als Künstler ein radikaler, vor allem aber einsamer Außenseiter, der sich jeglicher Vereinnahmung entzieht und geradezu schroff auf seine Mitmenschen reagiert. Seine Zurückweisungen halten auf Distanz, seine Unzugänglichkeit schmerzt und seine aggressive Unversöhnlichkeit ist weniger Ausdruck der Verweigerung als vielmehr einer Unerreichbarkeit. Pialats von Gogh (Jacques Dutronc) ist heillos in sich gefangen. Seine fremdartige Unangepasstheit entzieht sich dem Verständnis. Ihm ist nicht zu helfen, weil er sich nicht helfen lassen will oder kann. Krank, schmächtig, ausgemergelt und vom Absinth gezeichnet, hat er immer wieder Momente oder Phasen, in denen er durch gesellschaftliche Übertretungen und Tabubrüche das Leben genießt. Wenn er über seine Arbeit spricht, sagt er: „Die Malerei ist meine Art, zu sticken.“ Er versuche, auf seine Weise zu malen, mehr nicht.
Julian Schnabels Film „Van Gogh – An der Schwelle zur Ewigkeit“ (At eternity’s gate) konzentriert sich dagegen ganz auf dieses Tun, seine Bedingungen und sein Wesen. Die Natur als Ausdruck der göttlichen Schöpfung sowie die intensive Naturerfahrung als Merkmal einer außerordentlichen Sensibilität und Auffassungsgabe legen nahe, dass van Goghs Malen ein göttliches Geschenk ist und der Mensch, der hier gestaltet, ein Genie. „Wenn ich einer Landschaft gegenübersitze, dann sehe ich nichts anderes als die Ewigkeit“, formuliert van Gogh (Willem Dafoe) in Schnabels Film sein transzendentes Erleben, das an der Schwelle zur Sinnestäuschung und Verrücktheit angesiedelt ist. In der Sichtweise des Maler-Regisseurs denkt das zeitlebens unverstandene Genie zugleich über seinen möglichen posthumen Ruhm nach: „Vielleicht bin ich ein Maler für Menschen, die noch nicht geboren sind.“ Folgerichtig sagt wiederum Julian Schnabel: „Die Kunst kann den Tod überwinden.“
Sein eigenwillig, sehr subjektiv gestalteter Film, der sich auf van Goghs ebenso produktive wie problematische Zeit in Arles konzentriert, kreist um diese ewigen Fragen der Kunst und die Praxis des Malens. In der Auseinandersetzung mit seinem Künstlerfreund Paul Gauguin (Oscar Isaac) verteidigt van Gogh seine spontane, schnelle Malweise „in einem Schwung“, mit der er pastos seine leuchtenden Farben aufeinanderschichtet. Schnabels intuitive, fragmentarische Inszenierung, von seinem Bildgestalter Benoît Delhomme mit der Handkamera in einen nervösen, fiebrigen Stil übersetzt, überlässt sich auch in ihrer Perspektive ganz dieser Subjektivität. Und er steigert dieses unruhige, innere Erleben des Malers, das sich auf dem schmalen Grat zwischen Wahn und Wirklichkeit bewegt, noch durch Unschärfen, Über- und Doppelbelichtungen sowie akustische Wiederholungsschleifen. Umso intensiver wirkt deshalb die Ruhe, die aus den mittels Schwarzblende gesetzten Zäsuren aufsteigt und die sich mit Tatiana Lisovskayas klanglich reduziertem, sparsam instrumentiertem Score verbindet. Bis schließlich mitten im Abspann plötzlich für einen langen, bewegenden Moment zu Briefzeilen Gauguins die Leinwand in einem leuchtenden Gelb erstrahlt.