Die Editorin Loïs (Kate Moran) arbeitet nachts am Schnitt eines auf 16mm gedrehten Schwulenpornos. Darin beobachtet im Bildhintergrund ein Voyeur heimlich das Liebesspiel schöner Jünglinge. Während Loïs die Szene montiert, mischen sich Tanzende einer in neonblaues Licht getauchten Discothek in die Abfolge der Schnitte. Als sich einer von ihnen aus der Gruppe löst, um in einer Mischung aus Anziehung und Gefahr einer dunklen, maskierten Gestalt zu folgen, geschieht kurz darauf ein brutaler Lustmord. Die Wirklichkeit der filmischen Erzählung und als Film im Film erkennbare Fiktionen zweiten Grades durchdringen sich in Yann Gonzalez‘ vielgelobtem Film „Messer im Herz“ von Anfang an. Dieses Spiel mit unterschiedlichen Realitätsebenen setzt sich fort in den diversen Szenen von Dreharbeiten, in den Projektionen der gedrehten Filme sowie in merkwürdig überbelichteten, schwarzweiß gehaltenen Flashs, die sich als Traum- oder Erinnerungsbilder verstehen lassen.
Bereits in der schillernden, zwischen Lust und Schmerz, Sex und Tod changierenden Exposition seines tabulosen Films erweist sich Yann Gonzalez als cinephiler Eklektiker, der lustvoll die Stile und Genres mixt. Dabei bedient er sich nicht nur bei den Meistern des italienischen Giallo und des Psychothrillers, sondern huldigt auch dem Melodrama und der Subversion eines abseitigen Undergroundkinos. Dario Argento, Brian De Palma, Werner Schroeter und Jean Rollin gehören folgerichtig zu den filmischen Vorbildern im ebenso frivolen wie romantischen, verrückten wie poetischen Kosmos des gefeierten Regisseurs, der seine überschwängliche, exzessive „Ode an alles Weibliche“ bewusst artifiziell gestaltet hat. Die Parallelmontage, die Vermischung der Realitätsebenen und die dadurch vermittelten wechselseitigen Spiegelungen gehören zu den bevorzugten Stilmitteln, mit denen Gonzalez seine Hommage an das (analoge) Kino (der siebziger Jahre) und ans Filmemachen zelebriert.
Im Zentrum seines leidenschaftlichen Filmamalgams steht deshalb die selbstquälerische Amour fou einer Regisseurin namens Anne Parèze (Vanessa Paradis), die billige Schwulenpornos dreht und den Trennungsschmerz von ihrer Schnittmeisterin Loïs mit Alkohol bekämpft. Anne hat Angst und fühlt sich verloren, doch für Loïs gibt es trotz aller Liebe keinen Weg zurück. Als mehrere Darsteller ihres Casts grausam ermordet werden, ändert sie den Titel ihres gerade entstehenden Films „Anale Wut“ um in den kriminalistischeren „Der schwule Mörder“, in dem sie selbst eine maskierte Mörderin spielt. „Je mehr ich dich töte, desto mehr liebe ich dich“, heißt es in einem Chanson, das einer bluttriefenden Erotik-Live-Show zweier Lesbierinnen unterlegt ist. Annes ambivalente Gefühle spiegeln sich darin.
Als die polizeiliche Ermittlungsarbeit stockt, begibt sich Anne schließlich selbst auf die Suche nach dem Serienkiller. Intuitiv und traumverloren taucht sie dabei ein in eine mythische, geheimnisvolle Vergangenheit und in die tragische Geschichte eines jungen Mannes, der sich als eine Art Untoter für erlittenes Unrecht an der Gegenwart rächt. Der verfolgte, ausgestoßene Außenseiter findet in dieser schauerlichen Figur zu seinem Recht. In paradox erscheinenden Wendungen formuliert Yann Gonzalez an dieser Stelle nicht zuletzt ein Plädoyer für das Anderssein in der (sexuellen) Abweichung von der Norm.