Ein hautnaher Film. Ein Film zum Hingucken. Das ist bitteschön schon was Besonderes, wo wir sonst mit fertigen Meinungen versorgt werden, die „wichtig“ sein wollen. „Synonymes“ muss man miterleben, es geht nicht anders, und das bei einem hochgradig politischen Thema: Kann ein Jude in Haifa das Leben aushalten? Will er nicht lieber die weite Welt in Paris erleben? Pariser werden?
Regisseur Nadav Lapid, 43, geboren in Haifa, lässt uns teilnehmen an den Unternehmungen seines Helden. Das geht unter die Haut, buchstäblich. Der Integrationswillige findet in Paris einen Platz zum Duschen, aber sein Zeug ist anschließend weg. Nackt und bloß in der Stadt seiner Sehnsucht. Er liefert sich aus; schließlich auch dem Integrationsabenteuer, seit 2002 ein Muss für Einbürgerungsaspiranten. Der Integrationskurs wird zum dramaturgischen Höhe- und Wendepunkt. „In Frankreich gibt es Meinungsfreiheit für alle. Ist das richtig oder falsch?“ Die Schüler stehen auf. „Richtig“, antworten sie im Chor. Brav. Aber später kippt die Lehre. Jetzt ist es der gelehrige Schüler, der „die große Nation“ rettet, „die gerade untergeht“.
Wieder zurück nach Haifa? In die Heimat? Der Film bricht ab. Er hat sein Ziel erreicht. Er hat mich gepackt. Er läuft in mir weiter, auch wenn die Vorstellung längst beendet ist. Gepackt waren auch die Jurys der Berlinale und in Cannes, die „Synonymes“ mit Preisen bedachten. Ein pralles Stück Leben. Zu viel für manche. Antisemitisch diese israelisch-französisch-deutsche Produktion? Ja, es wird gelästert. Zweimal im Jahr werden französische Nazis in Paris provoziert. Kippa auf und rein in die Metro.
Doch in Sekundenbruchteilen sehen wir, wie der Held durch den ewigen Regen hetzt, wie eine rasche Folge üblicher Stadtansichten vorbeirauscht (Pont Neuf, Seine, Eiffelturm) – das Synonym für haltlos, kein Ort zum Bleiben. Ganz anders die Bilder aus Israel, die langen Einstellungen auf dem Berg, die Trockenheit, die Langeweile. Der Held, Soldat, vertreibt sich die Zeit, mit dem Maschinengewehr im Takt eines coolen Songs schießend. Braucht es da noch einen Kommentar?
Lapid, der längst wieder in Tel Aviv lebt, hat mit dem Film sein Leben erzählt. Also keine Meinung verkündet, sondern berichtet. Passiert ist, was passiert ist.
Diese Kritik erschien zuerst in: KONKRET 09/2019