Der Trend der Kinokinder-Clique reißt nicht ab: Nach den sich vom Magnetband der Hörspieltradition abgelösten Hexereien einer Bibi Blocksberg, den Kinderbuchadaptionen der „Wilden Hühner“, „Drei Fragezeichen“ und „5 Freunde“ steuern mit den „Pfefferkörnern“ weitere abenteuerlustige Kinder ins Kino. Seit 1999 flimmert die Kinderkrimi-Reihe aus Hamburg in mittlerweile 13 Staffeln fleißig über die Bildschirme des Landes. Der 14. Staffel wird zum Zwecke des Marketings jetzt ein Kinofilm vorangestellt, der in das Detektivgewusel des minderjährigen Jason-Bourne*innen-Gespanns entsprechend einführen und die neue Besetzung etablieren soll. Und diese skaliert sich mit allerlei Gadgets und Schauwerten aus dem Fernsehen auf die große Leinwand.
Gleich zu Beginn heften sich gewaltige Kamerafahrten über Gebirgsketten dem kleinen Luca (Leo Gapp) auf der Suche nach einem Schatz und einer Begegnung mit dem Bergkönig in dunkler Höhle an die Fersen. Von diesem Quasi-Epilog geht es in bester Agentenfilmmanier mit einem beherzten Sprung nach Hamburg, hinein in eine „Mission: Impossible“ der Pfefferkörner. Ein Coup um Abiturfragen und eine irre Verfolgungsjagd, die auf einem Schiff im Hamburger Hafen endet und erneut von einer spektakulären – wie ein Vogel durch die Lüfte gleitenden – Kamera eingefangen wird, lassen Einiges erwarten. Ein Moment der Ruhe führt dann in die eigentliche Geschichte ein: Die Klassenfahrt steht an. Ziel ist der Gruber-Hof im pittoresken Südtirol. Mia (Marleen Quentin) freut sich riesig auf ihren Freund Luca, der dort wohnt. Doch Luca verhält sich eigenartig, denn es geschehen geheimnisvolle Dinge auf dem Berghof. Die Kinder stoßen auf mysteriöse Zeichen, eine seltsame Köchin und den gruseligen Berggeist. Und während sich der Klassenlehrer (Devid Striesow) in Mias Mutter (Katharina Wackernagel) verguckt, kommt der neue und bis dahin unbeliebte, weil aus reichem Elternhaus stammende, Mitschüler Johannes (Luke Matt Röntgen) Mia und ihren Freunden zu Hilfe. Gemeinsam versucht das unschlagbare Team herauszufinden, wer hinter den mysteriösen Ereignissen auf der Alm steckt. Die Spur führt schließlich zurück nach Hamburg und zu einem Konzern, der Wasserquellen privatisieren will.
Regisseur Christian Theede hält das Tempo des Filmes von Beginn an mithilfe von Parallelerzählungen und Spannungswechseln hoch, was jedoch alsbald in unnütze Hektik ausartet und Balance vermissen lässt. Ein Mezzomix an Wendungen sprudelt einem spätestens ab der zweiten des Filmes von der Leinwand entgegen, dass einem der Kopf surrt. Anders als mit schwirrendem Haupt lassen sich all die hanebüchen Logiklöcher aber auch nicht verkraften. Dass plötzlich ein Privatjet vor der Berghüttentür steht und Sekunden später in bester Navy-Seals-Manier mit einem Schlauchboot über die Elbe gebrettert wird, fällt in der Eile ebenso wenig ins Gewicht wie die Tatsache, dass die Gewürzdetektive ein Büro mit Supercomputer (4 Monitore!) und diversem technischen Popanz bewohnen, auf den der Bundesnachrichtendienst sicher neidisch wäre.
Die überbordenden Kamerafahrten und der in den Dialogen stümperhafte Schnitt kaschieren das rudimentäre Drehbuch und die totale Fehlbesetzung der Hauptrollen. Bemüht rackern sich die Kinder durch die Zeilen. Acht- bis Elfjährige reden von der Friendzone, während die Erwachsenen gerade einmal für infantil dahin gestammelte Sätze taugen, die es selbst gestandenen Größen wie Devid Striesow sichtlich schwer machen. Die Musik schreit den Mangel an dramaturgischer Präzision in ihrer Versessenheit auf Kommentierung der Geschehnisse heraus und überlagert obsessiv die dusseligen Dialoge. Die Pfefferkörner können sich ihrer Herkunft im Kino nicht entledigen.
Was das Fernsehgerät aufgrund seines Formats gerade noch verbergen kann, offenbart die Leinwand – einem Vergrößerungsglas gleich – erbarmungslos. Alles in „Die Pfefferkörner und der Fluch des schwarzen Königs“ ist lieblos konstruiert, gerade so, dass es als aufgeblasenes Fernsehen die Zielgruppe erreicht und vereinnahmt. Nur mit Kino hat das alles wenig zu tun. Im Gegenteil offenbart die Lieblosigkeit Haltungslosigkeit. Selbst das dem Film zugrunde liegende Thema der Privatisierung von öffentlichem Gut wird heruntergebrochen und oberflächlich abgehandelt: Der bis ins Mark bösartige Konzern steht den guten Kindern gegenüber wie das Schwarz dem Weiß. Der Film, in dem es eigentlich um Geheimnisse geht, wird auf diese Weise zu einem Film ohne jedes Geheimnis.
Wo „Die Pfefferkörner und der Fluch des schwarzen Königs“ mit dem Einsatz seiner Mittel permanent damit beschäftigt ist seine Schwächen geheim zu halten, geht ihm der Blick für das Mystische und Wunderbare der Kindheit sowie des Detektivspiels verloren. Alles ist durch den langweiligen Einsatz von Technik per Knopfdruck verfügbar, erreichbar und vor allem lösbar. Mit erschreckender Offensichtlichkeit zeigt sich dies in der banalen Entlarvung des Berggeistes und der Fantasielosigkeit aller handelnden Figuren. Zurück bleibt die Kälte und Sterilität einer technisierten Realität, in der Distanzen und Wissen in gleichem Maße schrumpfen. „Die Pfefferkörner und der Fluch des schwarzen Königs“ ist ein lösungsorientierter, armer Film; arm an Geheimnis, arm an Kindheit und arm an zu Erlebendem.
Der Kinoauftritt der Pfefferkörner ist in seiner Reduzierung auf das Marketing symptomatisch für den Zustand des deutschen Kinderfilms. Dieser ist in der Breite wie Tütensuppe: Rezepthaft und künstlich. Zudem kaum biografisch geprägt und weit entfernt von den Lebenswirklichkeiten junger Menschen zwischen Einschulung und Abitur. Gefördert werden nahezu ausschließlich Adaptionen von Hörspielen, Romanen und Fernsehserien, die mit Schau- und Unterhaltungswerten aufwarten können. Beate Völcker hat in ihrem Zustandsbericht zum deutschen Kino-Kinderfilm für die Zeit zwischen 2007 und 2010 festgestellt, dass die Produktion originärer Kinderfilme nahezu ausgesetzt hat. Vor allem im Segment der 10- bis 14-Jährigen herrscht gähnende Leere wie auf dem Aldi-Parkplatz am Sonntagnachmittag. 2014 beklagte sich Veit Helmer in Interviews zu seinem Film „Quatsch und die Rasselbärenbande“ (D 2014), dass die Situation keinerlei Besserung erfahren habe. Die zur selben Zeit ins Leben gerufene Initiative „Der besondere Kinderfilm“ ändert daran auch sehr wenig, ließt man in deren Statuten doch ebenfalls nur den allzu bekannten Fördersprech. Da ist von „Relevanz“ die Rede und von einem „möglichst breiten Kinderpublikum“, das angesprochen werden soll, womit dem gewünschten Besonderen ja von vorn herein die Luft zum Atmen genommen wird. Das Besondere, das Unerwartete, das Gewagte richtet sich nämlich nicht wie selbstverständlich an ein breites Publikum. Und warum muss eine Initiative für Kinderfilme ins Leben gerufen werden, wenn ein Teil des Auftrags der bekannten Institutionen ist, die Rahmenbedingungen für die Entstehung origineller Stoffe und Filme zu unterstützen? Und so wundern sich die Filmförderungen in einem System der Quantifizierung und Erfolgsorientierung, weshalb die Filmemacher*innen ihnen keine originellen Stoffe anbieten, während die Filmemacher*innen sich über das System wundern, das offensichtlich nicht nach diesen Stoffen fragt und deshalb geheimnisarme Kindergadgetabenteuerwelten erschaffen. Oder war es umgekehrt?