Das eigentümliche Verhältnis des Films zu John Carpenters Meisterwerk, das 1978 das Sub-Genre des Teenie-Slashers begründete, kommt schon durch den Titel zum Ausdruck: „Halloween“ ohne jeglichen Zusatz lässt zunächst ein – nach dem ziemlich gelungenen von Rob Zombie 2007 – weiteres Remake erwarten. Das ist der Film dann irgendwie auch, weil er an der narrativen Oberfläche der Geschichte von Michael Myers, der als Kind seine Schwester ermordete und Jahre später aus der forensischen Psychiatrie ausbrach, um an Halloween 1978 in der Kleinstadt Haddonfield mit der an das Gesicht von Captain Kirk-Darsteller William Shatner und dem Küchenmesser auf blutige Teenager-Jagd zu gehen, nicht allzu viel hinzuzufügen weiß (bzw. ist es bezeichnend, dass der Film gerade da seine schwächeren Momente hat, wenn er gegen Ende mit einem sonderbaren Sub-Plot um einen durchdrehenden Polizisten zu verkomplizieren trachtet, was bei Carpenter nicht zuletzt aufgrund seiner betörenden Einfachheit genre- und stilbildend war).
Andererseits ist er es dann aber eben auch wieder nicht. Denn nicht nur ist die Handlung in die Gegenwart verlegt, sondern in ihr taucht auch die Figur der Laurie Strode wieder auf, das berühmte final girl aus dem Original, das für die Darstellerin Jamie Lee Curtis der Beginn einer großen Karriere war, und nunmehr eine Frau um die sechzig, Mutter und Großmutter ist. Wenn etwa der Vorspann des Originals komplett übernommen und nur dahingehend verändert wird, dass der Kürbis am linken Bildrand zunächst eingefallen ist, sich im Verlauf dann aber wieder zu alter Pracht aufrichtet, als würden ihn die nervös flirrenden Synthesizer-Klänge von Carpenters berühmter Titelmelodie aufblasen wie einen Luftballon, sind solche straighten Retro-Gesten durchaus mit Vorsicht zu genießen, weil der Film weitaus mehr will, als ein einfaches Update eines Klassikers vorzunehmen. Vielmehr sucht er eine Art Kurzschluss zwischen filmhistorischem und psychologischem Diskurs, wenn er einerseits über das Genre reflektiert, das – wie in einer Art Wiederholungszwang – immer wieder die gleichen Geschichten variiert, und andererseits von Strodes Fixierung auf das Trauma der Halloween-Nacht 1978 handelt, nach der sie kein allzu glücklicher Mensch geworden ist: Geplagt von Alkoholproblemen und Paranoia, ist sie eine Waffennärrin, die viel Lebenszeit am Schießstand verbringt, unzählige Schlösser an ihrer Tür und eine Art Schutzbunker im Keller hat.
Dass die Gewalt des Genre-Kinos damit hier nicht einfach nur ein cooles device ist, sondern Narben auf den Seelen derjenigen hinterlässt, die sie miterleben mussten und ihr nur knapp entkommen konnten, ist Teil der Ernsthaftigkeit, mit der Green an seinen Film herangeht und die schon deshalb sehr begrüßenswert ist, weil das Slasher-Genre ja immer mal wieder droht, sich in (oft nur noch albernen) Selbstbespiegelungen totzulaufen. Das drückt sich auch in der Form des Films aus, dem es sichtlich darum geht, Intensität zu erzeugen, eine Atmosphäre des Unheimlichen und des Unbehagens zu kreieren, wenn etwa immer wieder in extremen Close-Ups nur einzelne Details von Gesichtern die Scope-Leinwand ausfüllen. Dabei driftet die Inszenierung manchmal gekonnt ins Surreale: Der Hof der Anstalt, in der ein ReporterInnen-Paar Myers am Anfang besucht, mit seinem weiß-weinroten Schachbrettmuster, das ihm in Obersicht gefilmt eine ziemlich sonderbaren Flächigkeit verleiht, und die nebelverhangene nächtliche Landstraße bei Myers Ausbruch aus dem Gefangenentransport, über die nun die Verbrecher wie Zombies wanken, sehen aus wie Orte nicht von dieser Welt.
Auch die Art der Referenzialität an das Original, die mitunter ein Publikum voraussetzt, das dieses bis in einzelne Einstellungen hinein erinnert, ist kein cleverer Selbstzweck, sondern Teil einer umgreifenden Reflexion über das Ikonische (nicht nur der Vorlage). Das findet sich nicht zuletzt in der Gegenüberstellung des – auf übrigens sehr interessante Weise – gealterten Gesicht Strodes, aus dem Charakter und Lebenserfahrung zu sprechen scheinen, mit der ewig gleichen Maske Myers. Wo die Zeit ihre Spuren an den Menschen hinterlässt, verändern sich popkulturelle Ikonen nur in den Bedeutungen, die ihnen gegeben werden, werden neu interpretiert. Seinen feminst Twist buchstabiert der Film in einer Szene schon eher etwas plump aus, in der ein männlicher Teenager seine sexuellen Wünsche denkbar unbeholfen auf Lauries Enkelin projiziert, dafür zunächst von ihr eine entschiedene Abfuhr erteilt bekommt, um sich wenig später durch Myers Hand auf das Gitter eines Tores gespießt zu finden.
Wesentlich interessanter, weil auch visueller, filmischer gedacht, sind dann eben bestimmte Einstellungen, in die Green Strode setzt oder nicht setzt, in denen bei Carpenter Myers war oder nicht war. Den Platz der Ikone einzunehmen, dient dabei nicht dazu, selbst zu einer zu werden – die natürlich auch Strode und Curtis irgendwie sowieso schon sind, aber für die sich der Film eben nicht als solche interessiert, sondern als Menschen – sondern darum, dem Ikonischen die Macht zu nehmen, die es über die Menschen gewinnt, durch die Angst, die sie vor ihm haben. Es geht am Ende nicht so sehr darum, dass das Böse vom Guten besiegt wird, sondern die Ikone vom Menschen, der dazu anerkennen muss, dass er nicht wie sie – in mehrfacher Hinsicht – unsterblich ist, aber für die begrenzte Zeit, die er auf dieser Erde hat, zum Subjekt werden kann, wo die Ikone letztlich immer Objekt ist, belebt nur durch die sich wandelnden Ängste und Wünsche, für die sie – sicherlich mal mehr, mal weniger, aber immer mindestens ein gutes Stück weit – als Projektionsfläche dient. Es ist dabei immer wieder die enge Verzahnung von Film und Figur, aus der „Halloween“ seinen letztlich beträchtlichen Reiz zieht, denn beide versuchen, den Fesseln der Vergangenheit zu entkommen. Wo der Film das Genre nicht zuletzt dadurch variiert, dass er die Befindlichkeiten einer alternden Frau ins Zentrum eines Slashers setzt, in dem sie bisher eher als – wahlweise schrullige, besorgte oder bigotte Nebenfigur ihren Platz hätte, hat seine Heldin nach vierzig Jahren endgültig die Schnauze voll davon, ein Opfer zu sein.