„Then I saw her face, now I’m a believer.“
Vielleicht ist die Frage, mit der sich John Woos Film befasst, woran man in der Welt, von der er erzählt, noch glauben kann. Eine Instrumental-Version von Neil Diamonds‘ berühmtem Song (in der Version von The Monkees) liegt von Beginn an über den Bildern, wird auch später, wenn der Film immer brutaler wird, sich weiter leitmotivisch wiederholen. Vorbilder wie Elvis artikulieren das Bedürfnis der bettelarmen Protagonisten, ein (westlicher) König zu sein. Das Süßliche daran, das Pathos, das bei Woo ja immer nahe am Kitsch gebaut ist, ist dabei nicht einfach nur eine Behauptung, die er dadurch widerlegen würde, dass sich aus dem Melodram, als das sich der Film in seiner Exposition vorstellt, langsam ein sehr harter Action-, Gangster- und Kriegsfilm entwickelt, vielmehr bleibt beides untrennbar miteinander verzahnt.
Hongkong 1967. Die drei Freunde Ben (Tony Chui-Wan Leung), Paul (Waise Lee) und Frank (Jackie Cheung) wollen raus, das alltägliche Elend eines Armutsviertels hinter sich lassen, die Welt sehen. Doch nach der Hochzeit Bens erschlägt Frank in Notwehr das Oberhaupt einer Gang. Die drei müssen vor der Polizei fliehen, wobei es sie nach Vietnam verschlägt, mitten in die Wirren des Krieges. Nachdem sie bei der örtlichen Mafia mit Unterstützung des Auftragskillers Luke (Simon Yam), der ebenfalls aus Hongkong stammt und mit der Nachtclub-Sängerin Sally (Yolinda Yam) liiert ist, die von dem Mafiaboss Leung zur Prostitution gezwungen wird, eine Kiste mit Gold stehlen, geraten sie in nordvietnamesische Gefangenschaft. Abermals gelingt ihnen die Flucht. Wäre da nur nicht die Sache mit dem Gold, das ganz von Toms Seele Besitz ergriffen hat. So sehr, dass er Frank in den Kopf schießt, der überlebt, aber heroinabhängig wird, um seine Schmerzen zu betäuben.
Die Kugel im Kopf legt also ein sehr eindrückliches Zeugnis ab von der Schuld, in die sich die Protagonisten mehr und mehr verstricken. Sie ist der Fremdkörper, der Vergebung unmöglich macht, auf den nur noch mehr Kugeln folgen können. Im Finale wird die freundschaftliche Fahrradfahrt vom Beginn parallel montiert zu der verfeindeten Autofahrt am Schluss. Der ganze Film dazwischen wird so retrospektiv zu einem missing link für die Rückkehr der Erwachsenen in glückliche Jugendtage. Es bleibt ein Schädel, der belegt, dass über Sein oder Nichtsein hier längst entschieden wurde.
John Woo, 1946 im Süden Chinas geboren, seit 1969 als Regisseur tätig, schreibt sich in kurzer, aber entscheidender Position in den Film ein, der gemeinhin neben dem ein Jahr zuvor entstandenen „The Killer“ zurecht als sein Opus Magnum gehandelt wird. Er spielt den Kommissar, der nach den drei Männern fahndet, die längst ihre beschwerliche asiatische Odyssee angetreten haben. Die weiblichen Figuren erscheinen dabei nur als Projektionsfläche der Männersehnsüchte nach einem besseren Leben. Doch so wenig wie die Freundschaft einen Ausweg aus dem von Armut, Gier und Gewalt geprägten Überlebenskampf bietet, so wenig tut es auch die romantischen Liebe. Auch das Frauengesicht ist also nichts (mehr), woran man wirklich glauben könnte.
Dass der Film es mit dem Geballer etwas übertreibt, gerade die Kriegsszenen irgendwann ziemlich repetitiv wirken, ändert nichts an seiner tief empfundenen Tragik über das Scheitern seiner Figuren an der Welt. Es stimmt, was in einer alten Jump-Cut-DVD-Besprechung steht: „Wenngleich Woo seine verschiedenen Gewaltdiskurse – reale politische Gewalt, coole Actionfilm-Gewalt, harte physische Militärgewalt etc. – vor allem in dieser Melange nicht immer sicher im Griff hat, erzählt er doch eine spannende, dramatische und abwechslungsreiche Geschichte, der das klassische Coming-of-Age-Drama als Folie dient, um den Verfall freundschaftlicher Werte unter chaotischen Bedingungen nachzuzeichnen.“ Und auch das sonst nicht eben für seine Genreaffinität bekannte Filmlexikon des Katholischen Filmdienst spricht von einer „schonungslosen Abrechnung mit den politischen Verhältnissen“ und bescheinigt dem Film eine „eigenwillige Poesie.“
Zu den Fassungen: Auch die große Popularität John Woos zur Entstehungszeit reichte nicht, um dem Film seinen Weg auf deutsche Leinwände zu bahnen. Stattdessen erschien er seinerzeit in einer um satte 27 Minuten gekürzten Version auf VHS. Laser Paradise veröffentlichte ihn dann immerhin komplett ungekürzt auf DVD, die spätere Kinowelt-DVD bietet neben der ungekürzten Fassung zumindest das korrekte Bildformat, allerdings nur deutschen Ton – auch hier lässt die Edition mal wieder erheblich zu wünschen übrig. Auf eine offizielle HD-Version des Films warten seine vielen Fans und alle, die es hoffentlich noch werden könnten, leider bis heute weltweit vergeblich.