Vor kurzem habe ich ja bereits den famosen „Willkommen im Tollhaus“ gekuckt. Nun kam in rascher Folge auch das überschaubare Restwerk von Todd Solondz zum Einsatz. Tatsächlich kannte ich nur den Debütfilm und Solondz‘ Zwoten, „Happiness“, der jedermanns Lieblingsfilm zu sein scheint. „Palindromes“ habe ich zudem während eines Umzuges auf einem Miniatur-Fernseher gesehen, aber allenfalls gesehen, nicht erlebt. Nun kamen erst einmal „Storytelling“ hinzu, besagter „Palindromes“ und schließlich „Life During Wartime“, der nicht den Weg nach Deutschland fand und den ich aufgrund seines Titels und seines britischen Covers für eine nostalgische Weltkriegs-Rückbesinnung à la Boormans „Hope & Glory“ hielt.
Das Tolle an Solondz ist, dass ich kaum einen amerikanischen Regisseur der Gegenwart kenne, der sich dermaßen treu bleibt in seinem Privatuniversum. Die Werke passen alle zueinander wie Arsch auf Eimer. Fast genauso toll – wenn auch nicht so schön für den Filmemacher, kommerziell gesehen – ist, dass sich die Meinungen der Zuschauer bei ihm ziemlich entzweien. „Wiener-Dog“ (den ich noch schauen muss) wird in der IMDb teilweise mit regelrechten Hasskaskaden versehen, u.a., weil da am Schluss ein Hund überfahren wird. (Das der Hund selbstredend computeranimiert, also nicht echt ist, scheint niemanden interessiert zu haben.) „Happiness“ war Sundance-kompatibel, weil er seine menschheitspessimistischen Ungeheuerlichkeiten in einem genüsslich süßlichen, geradezu seifigen Ton vortrug, der die herkömmlichen Darreichungsformen von Melodramatik verhohnepiepelte und mit ihnen spielte. Doch die ironische Herangehensweise scheint den Publikumsgeschmack mittlerweile dramatisch zu verfehlen, warum auch immer. Dem Filmemacher wird beispielsweise vorgeworfen, ein Misanthrop zu sein. Dralle Unwahrheit, der Mann ist Künstler, und er berichtet von Missständen, anstatt sich an ihnen zu verlustieren. Er tut dies auf eine unmittelbar wiedererkennbare Weise, man merkt sofort, dass ein Film von ihm ist. Seine Arbeiten sind liebenswürdig scheinende Charakterstudien, sie wirken wie Thornton Wilder für das Nachmittagsprogramm, doch dann entgleist der Zug, und er tut dies in Zeitlupe, so dass der Zuschauer jeden Pickel mitbekommt. Das ist ein wenig so, als würde einem eine nette, alte Dame etwas von einem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt erzählen, und während ihres Vortrages verwandelt sie sich in ein fürchterliches Monster, Grandma Caligula.
Bezeichnend für die Filme von Solondz scheint mir zu sein, dass ich immer viel lachen muss, aber es tut mir im selben Moment leid, denn ich merke, worüber ich gerade lache, nämlich über ganz fürchterliche Dinge. „Life During Wartime“ etwa ist eine Art Fortsetzung von „Happiness“, nur dass sämtliche Figuren von anderen Schauspielern gespielt werden und sich häufig auch völlig anders verhalten, als man dies von den vorherigen Interpretationen erwarten würde. Sehr irritierend und sperrig, nobody’s darling. Erzählerisch ist Solondz ein fröhlicher Amokläufer. Er wird gelegentlich darauf reduziert, ein Provokateur zu sein, da er über Themen berichtet, die nicht teepartykompatibel sind, aber tatsächlich würde ich ihn als Entfremdungskünstler bezeichnen. Er zeigt, dass niemand ganz der ist, den man in ihm sieht. Er führt auch das postmoderne Herumhantieren mit dem Schockierenden ad absurdum, da es natürlich auch von sich selbst als alternativ empfindenden Geistern nur dann geschätzt wird, wenn es die eigene Sichtweise stützt und das Unsagbare letztlich erträglicher macht. Solondz handelt aber mit Zerrspiegeln, und da kommt niemand gut weg. Das kleidsam Kaputte, das in meiner Jugendzeit und später der „Generation X“ so geschätzt wurde, ist da ganz weit weg. Misanthropisch ist das aber gar nicht, es legt nur nahe, dass jeder nur mit Wasser kocht, man selber auch. Ich finde das vernünftig. Eines der Hauptthemen von „Life During Wartime“ ist Vergebung, ein ganz gefährliches Ding, da das für gewöhnlich in einem seifigen Erlösungsreigen resultiert, mit Hollywood-Geigen, und danach strömen alle weinend und irgendwie erleichtert aus dem Kino. Nicht so bei Solondz. Der hat eher eine pragmatische „Leb´ damit!“-Einstellung in seinen Filmen, der zwar nichts Tröstliches innewohnt, aber sie scheint mir dichter an der Realität angesiedelt. „Willkommen im Tollhaus“ und „Happiness“ scheinen mir die perfekten Einstiegsfilme zu sein. Aber ich bin mittlerweile ein richtiger Solondz-Fanboy und somit parteiisch.