Sie heißen Annika, Ikra und David, kommen aus schwierigen Familienverhältnissen und haben vor allem deshalb schon einiges durchgemacht in ihren jungen Leben. Es gibt für sie biographische Brüche, die ihren Lebensweg in ein Davor und ein Danach teilen: In eine Vergangenheit mit Drogenerfahrungen, Angstzuständen und familiären Konflikten einerseits; sowie in deren Bearbeitung andererseits. Die Jugendtheatergruppe der Berliner Schaubühne, die dabei hilft und diesen Prozess begleitet, heißt deshalb „die Zwiefachen“. Unter Anleitung der engagierten Theaterpädagogin Uta Plate proben und erarbeiten sich die Jugendlichen Hans Krásas Kinderoper „Brundibár“, die zwischen 1942 und 1944 über fünfzig Mal im KZ Theresienstadt von jüdischen Kindern aufgeführt wurde. Um ihrer kranken Mutter durch den Verkauf von Milch zu helfen, schließen sich in dem Stück Kinder zusammen, um gegen den mächtigen, titelgebenden Leierkastenmann zu kämpfen.
Was hat die Vergangenheit mit der Gegenwart und dem eigenen Leben zu tun?, fragt Douglas Wolfsperger in seinem neuen Dokumentarfilm „Wiedersehen mit Brundibar“. Denn die Auseinandersetzung mit den nationalsozialistischen Verbrechen, ist für ihn längst nicht abgeschlossen oder gar „auserzählt“. Vielmehr gilt für ihn: „Wie gestaltet man eine lebendige Erinnerungskultur ohne ritualisierte Gesten?“ Gerade das ist der Punkt, an dem die anfangs wenig begeisterten, von ihrem diesbezüglichen Geschichtsunterricht angeödeten Jugendlichen Möglichkeiten entdecken, ihren persönlichen Erfahrungshintergrund, gewissermaßen ihre „Brüche“, in die Auseinandersetzung mit der Oper einzubringen. Neben den Gesangs- und Spielproben sind es deshalb vor allem diverse Gesprächsrunden, in denen die jungen Theatermacher ihre persönliche Beziehung zur Kinderoper und der dahinter stehenden Geschichte entwickeln.
„Nach Brundibar“ lautet infolgedessen der Titel ihres aktualisierten, eigene Betrachtungen und Spielszenen integrierenden Projektes. Einen entscheidenden Anschub beziehungsweise Durchbruch in ihrer Beschäftigung erfahren die Jugendlichen aber vor allem durch ihre Begegnung mit der herzensguten, sehr offenen und einfühlsamen Zeitzeugin Greta Klingsberg, die, 1929 in Wien geboren, damals in fast allen Aufführungen die Rolle der Aninka sang und zu den wenigen Überlebenden gehört. Ihre lebendigen Erinnerungen, wachgerufen durch eine gemeinsame, vom Filmteam begleitete Fahrt ins Ghetto Theresienstadt, erlauben den jugendlichen Darstellern persönliche Zugänge und Identifikationsmöglichkeiten. So gelingt über die Arbeit an der Oper hinaus auch eine intime Annäherung an den Holocaust. Greta Klingsbergs Erzählung von der Ermordung ihrer jüngeren Schwester Trude zählt diesbezüglich zu den traurigsten und bewegendsten Momenten des Films, der bei einem Gegenbesuch in Jerusalem endet und dem es nicht zuletzt um Versöhnung geht.