Schön, dass es sie gibt, diese Band! Klar, man kann Anton Spielmanns Attitüden etwas enervierend finden, dieses selbstbewusste Drauflosrabulieren ohne Punkt und Komma. Diesen Rock’n’Roll-Habitus, wenn er seine Bandkollegen an der S-Bahn abholt – und auftritt wie der junge Stiv Bators. Okay, man kann auch sagen, dass die Musik von 1000 Robota ziemlich retro klingt, nach Palais Schaumburg und Fehlfarben, nach Holger Hiller. Aber immerhin klingt sie nicht nach Tomte oder Madsen und auch nicht befindlichkeitsfixiert wie Kettcar – und das ist doch schon mal ein Anfang, auf den man bauen kann.
Überhaupt: Man erführe auch gerne etwas mehr über die drei Jungs, die da an der Hamburger Peripherie offenbar noch mal das old school-Ding durchziehen. Als wäre es wieder 1964 oder 1975 oder 1980. Man geht gemeinsam zur Schule, gründet eine Band, wagt die Ochsentour, hat Glück und wird berühmt. Wie sie wurden, was und wie sie sind, erzählt diese filmische Langzeitbeobachtung von Sandra Trostel leider nicht. Okay, man sieht die Eigenheime im Hamburger Speckgürtel, in denen Anton, Jonas und Sebastian von 1000 Robota wahrscheinlich aufgewachsen sind. Man sieht ihre Schule, ein Gymnasium. Abitur steht an. Die Eltern bleiben im Hintergrund, verlangen teilweise wohl eine aufgeklärte Gratwanderung zwischen Vernunft und Abitur, legen ihren Kindern (die übrigens auch nur Teilzeit-Rebellen sind!) aber keine größeren Steine in den Weg. Aber woher ihre Wut in ihrer Musik kommt, erfährt man nicht. Die Haltung ist einfach da. Und diese Haltung ist erfrischend widerspenstig. Mal wird lustig gegen Thees Uhlmann gelästert, mal wird ein Generationsbruch mit Tocotronic exekutiert.
Bei 1000 Robota fängt alles sehr früh und fast naturwüchsig an: man hat einen klitzekleinen Indie-Hit mit dem Titel „Hamburg brennt“, will den aber eigentlich nicht mehr live spielen und auch nicht auf dem Debütalbum drauf haben. Weil man sich schließlich lyrisch weiter entwickelt habe. Mittlerweile gelten 1000 Robota als Underground-Hit, die Pop-Magazine stehen Schlange, die renommierte Indie-Plattenfirma „Tapete Records“ klopft an. Ein Hype beginnt! Aber früh schon fangen die Probleme an: Spielen 1000 Robota Punk? Und falls ja, was mag dies um 2010 noch bedeuten? Ist Punk nicht längst ein Genre und keine Haltung mehr? Klingen 1000 Robota nicht wie Post-Punk anno 1980/81? Spielen sie den Soundtrack ihrer Eltern? Anton Spielmann, Gitarrist, Sänger und Wortführer des Trios 1000 Robota, ist sich jedenfalls sicher, dass er nicht nur Andere erinnern will, sondern selbst etwas entstehen lassen will.
Sandra Trostel hat die drei Jungs ausgesprochen lange begleitet, zeigt die Band beim Proben und im Studio, bei Konzerten, Festivalauftritten und auf dem Weg zum Abitur. 1000 Robota legen einen ganz erstaunlichen Enthusiasmus an den Tag, werden allerdings auch mit der Tatsache konfrontiert, dass alles, was man an bösen Geschichten vom Musikbusiness zu kennen glaubt, tatsächlich zu stimmen scheint. Die Probleme im Aufnahmestudio lassen sich noch bewältigen, aber die Plattenfirma „Tapete Records“ übt sich auf das Wohlmeinendste in repressiver Toleranz. Man muss dazu wissen, dass „Tapete“ ein durchaus gut beleumdetes Indie-Mainstream-Label mit Musikern in der Geschäftsführung ist. Anton Spielmann nutzt den Kontakt, um hier nach der Schule gleich eine Lehre als Kaufmann für audiovisuelle Medien zu beginnen. „Tapete“ bildet aus, aber natürlich total lässig, augenzwinkernd und ironisch. Die Bilder, die „Utopia Ltd.“ im „Tapete“-Büro einfängt, sind bestechend klar. Alle sitzen im selben Boot, nur, wenn jemand mal ausschert, wird die Keule des Selbstmitleids rausgeholt: »Hey, was fällt dir ein, wir beuten uns hier alle selbst aus!«
Was folgt, ist ein Glücksfall von Musikdokumentation, die ideologisch-strukturelle Krise wird geradezu mit dem Skalpell konturiert: Einerseits werden 1000 Robota seitens der Musikpresse so gehypt, dass die Band sogar Auftritte in England bekommt, andererseits ist die ausgedehnte Tour so schlecht geplant, dass man sogar auf Dorffesten oder als Vorgruppe von Fettes Brot »verheizt« wird. Und zwischen dem Hype der Musikpresse und dem Interesse des Publikums klafft eine schmerzhafte Wunde. Einmal sieht man Spielmann verzweifelt vor der Tür um Zuschauer werben, nachdem er aus eigener Tasche Plätze auf der Gästeliste gekauft hat. Gleichzeitig erkennt er bei der Arbeit in der Plattenfirma, dass die Knüppel, die seiner Band zwischen die Beine geworfen werden, durchaus üblich sind und von einer prinzipiellen Missachtung des Künstlers und seiner Autonomie zeugen. Als die Band sich schließlich entscheidet, die Einladung zu Stefan Raabs Bundesvision Song Contest auszuschlagen, ist ein Grad an Eigensinn erreicht, der der Plattenfirma zu weit geht. Man trennt sich. Wahrscheinlich in gegenseitigem Einvernehmen. Eigentlich ist es erstaunlich, dass „Tapete“ nicht gegen „Utopia Ltd.“ vorgegangen ist, denn der Ruf der Firma ist nach diesem Eklat ziemlich angekratzt. Am Ende haben 1000 Robota ihre Unabhängigkeit auf ganz erstaunliche Weise bewahrt, dabei allerdings ihre jugendlich-aufmüpfige Unbeschwertheit verloren, sind von „Tapete“ zu „Buback“ gewechselt, wo es sich der erfolgreiche Bildende Künstler und Labelchef Daniel Richter offenbar leisten mag, diese ungestüme Band in ihrem Anders-Sein weiterhin zu fördern. Anton Spielmann hat seine Lehrstelle bei „Tapete“ hingeschmissen: sein letzter Besuch am alten Arbeitsplatz dokumentiert Verhaltenslehren der Kälte.
All dies registriert „Utopia Ltd.“ recht nüchtern und ohne daraus einen Heldengesang der Resistenz zu stricken. Für ein paar Momente des Glücks laufen Anton, Jonas und Sebastian mit Wucht gegen die Wand, gerne auch ein paar Mal hintereinander. So unglamourös (und ganz ohne Mädchen!) stellt sich der Alltag im Pop-Biz 2011 dar, dass man sich wundert, warum sich jugendlicher Eigensinn mit revolutionärer Ungeduld noch immer mit Verve auf die Pop-Musik stürzt. Schließlich liegt ein Abgrund zwischen Mythos und Realität. „Utopia Ltd.“ gibt auf solche Fragen keine Antwort, wendet sich aber auch nicht erwachsen-desillusioniert oder gar zynisch ab. Wie gesagt: schön, dass es 1000 Robota gibt. Und diesen Film über die Anfänge einer Pop-Karriere, die fast schon wieder beendet war.