»Warten Sie nicht auf einen hohen Feiertag, sondern versammeln Sie jetzt Ihre Familie!«, empfahl Frank Schirrmacher. Der Dreiteiler 'Unsere Mütter, unsere Väter', der Mitte März im ZDF gelaufen und jetzt auf DVD erschienen ist, besitze »in seiner unbestreitbaren Wucht und Monstrosität die Chance, den letzten Zeitgenossen noch einmal … die Zunge zu lösen«.
Und was kommt dabei heraus, wenn die Nazigeneration die Zunge löst? In der von seinem Vater inspirierten Fünf Freunde-Variante, die der Historytainment-Guru Nico Hofmann mit seiner bewährten Waffenschmiede Teamworx (Dresden', 'Rommel') produziert hat, reißt der Krieg eine fröhliche Runde junger Leute brutal auseinander. Der belesene Friedhelm geht nur widerwillig zur Wehrmacht, sein Bruder, ein Leutnant, wird zum Deserteur, dessen Freundin eine zu Tränenausbrüchen neigende Frontschwester. Zurück in Berlin bleibt eine Sängerin, die liiert ist mit dem Fünften im Bunde, einem Juden – das erste Signal, dass seine besten Freunde so ganz schlecht nicht sein können. Allein die Verhältnisse, die sind nicht so.
Die Bilanz dieses von den Medien als ungemein realistisch beklatschten Sturmgeschützes, das sich mit dem Off-Kommentar behelfen muss, wenn die Dramaturgie nicht weiter weiß: Zwei der arischen Sympathieträger sterben einen hochmoralischen Märtyrertod, ihr jüdischer Freund überlebt. Opfer sind alle drei Überlebenden gleichermaßen. Sie alle haben sich schuldig gemacht, auf Befehl getötet oder »Wehrkraftzersetzer« ans Messer geliefert, aber die Nazis wie du und ich leiden sehr darunter, viel mehr jedenfalls als ihre Opfer, denn die sind schließlich tot (und bleiben gesichtslos). »Der Krieg« – nicht etwa der Nationalsozialismus – »bringt das Schlechteste in uns zum Vorschein«, lautet das programmatisch selbstmitleidige Mantra.
Ralf Wiegand hat’s geschluckt und spricht in seiner Hymne in der »Süddeutschen« von »dieser vom Krieg verzehrten Jugend«, die »keine Generation traumatisierter Rächer geworden« sei. »Sie begründete statt dessen den längsten Frieden, den dieses Land je erleben durfte. Sie wurden trotz allem Mütter und Väter.« Nur die wahren, die fanatischen und vollkommen skrupellosen Nazis pflanzten sich offenbar nicht fort, denn das waren im Film wie im kollektiven Gedächtnis immer die anderen, unsere (Groß-)Eltern jedenfalls waren es nicht.
So soll auch Hofmanns 88jähriger Vater noch heute traumatisiert sein von seinen Erlebnissen beim Russland-Feldzug, von dem er als »gebrochener Pazifist« (Hofmanns Erzählungen) zurückgekehrt sei; und die Mutter (Ex-BDM) lobt den Junior, dies sei der erste Film über den Krieg, zu dem sie sagen könne: »Genauso war es.« Da schließen sich die auf des »FAZ«-Herausgebers Geheiß vor dem Volksempfänger versammelten Generationen gern an. Denn wie es gewesen ist, das bestimmen in Deutschland immer noch die Täter und ihre braven Söhne.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 04/2013