Der User, die Userin, das unbekannte Wesen: Manchmal ist er/sie nur ein anonymes, geschlechtsloses Symbolbild inmitten netzkonformer Zwickerbussigesichterversammlungen – so wie das zunächst einmal als simpler, lästiger Troll verkannte Rachephantom in 'Unknown User'.
Dieser US-Cyberhorror-Thriller in der Regie von Levan Gabriadze bietet einen im Genrekino seltenen Anblick. (Aber mindestens einen Vergleichsfilm gibt es schon: den spanischen Thriller 'Open Windows' ebenfalls aus dem Jahr 2014 mit Elijah Wood vor dem Schirm.) 'Unknown User', Originaltitel 'Cybernatural' bzw. 'Unfriended', zeigt eine Skypekonferenz von white upper middle class kids in Fresno, Kalifornien (könnte aber irgendwo im mittelständisch-weißen Amerika sein) als bildfüllendes Laptopdisplay; Plaudern, Text-Chatten, Surfen, Senden von Archivbildgaben unter drei Buben und drei Mädeln. Dieses ultrarealistische Echtzeit-Gewimmel an Witzchen und Wartezeiten wird erst schleichend, später mit viel Trara und Pathos heimgesucht – vom Geist eines Cyberbullyingopfers (das ist im Plot sofort klar, insofern kann der Spoiler-Alert bzw. die Forderung danach gleich wieder deaktiviert werden).
Da ist viel Eigendynamik im Detail im Spiel: Tasten klickern, Screens splitten, Glitches verformen Gesichter, Freezes suggerieren Erstarrung, wo (noch) keine ist (oder doch?), stummgeschaltete Stimmen murmeln im Hintergrund weiter, ringförmige Wartezeitsymbole muten an wie Munch’sche Münder. Before you die you’ll see The Ring, hieß das am Ende der VHS-Ära – zu jener Zeit, als im Gefolge eines anderen Horrorfilmerfolgsfranchise ('Scream') jedes zweite Karnevalkostüm ein solcher Munch-Mund zierte.
(Nerdige Nebenbemerkung: Die Musik-Playlist der Protagonistin, auf deren Laptop-Schirm alles spielt, kommt mehrmals groß ins Bild; in der Mitte der Liste prangt groß als Titel ausgerechnet 'Safe European Home', eine Postkolonialismus-Klischee-satirische Polit-Punk-Reggae-Hymne von The Clash; das Lied kommt allerdings nicht zum Einsatz.)
Mit 'Unknown User' gibt sich eine – nicht mehr wirklich – neue Medienpraxis ein Selbst-Bild im guten alten Kino, erzählt quasi-filmisch von sich, indem sie auf vertraute Motive zurückgreift: fesche Nervensägen, von denen wir uns wünschen, sie mögen bald weniger werden (und tatsächlich wird dieser Wunsch bald übererfüllt), in niedrigauflösenden Nicht-Bildern wie in 'Cloverfield', All-American homes unter ausschnittweiser elektronischer Dauerbeobachtung wie in den 'Paranormal Activity'-Mockumentaries, Rache eines toten Mitglieds an der jugendlichen Clique wie in 'Scream II' bis 'Scream IV' oder den beiden 'In drei Tagen bist du tot'-Filmen, hochnotpeinliche Wahrheitsspiele wie im 'Saw'-Franchise, am Ende heulende Reue wie im 'Blair Witch Project'. Erstaunlich, wie nahtlos hochflexibler Gebrauch von Social Media mit hocharchaischer, gänzlich asozialer Straf- und Sexualmoral zusammengeht. Als ein Stück Horrorminimalismus ist 'Unknown User' jedenfalls grundunsympathisch, aber semi-effektiv.