Top of the Lake

(AUS / USA 2012; Regie: Garth Davis, Jane Campion)

Lynch entschärft

Einer der längsten Filme, die dieses Jahr auf der Berlinale gezeigt wurden, ist eigentlich gar keiner: Jane Campions sechsstündiger 'Top of the Lake' ist ein Mehrteiler für’s Fernsehen, wo ja bekanntlich vor allem Krimis bestens laufen; so auch hier: In einem neuseeländischen Dorf wird ein 12-jähriges Mädchen vollständig bekleidet aus dem die Landschaft prägenden Bergsee gezogen und verschwindet kurze Zeit später fast spurlos. Es stellt sich heraus, dass sie schwanger ist. Polizistin Robin macht sich auf eine umwegreiche Suche nach der Vermissten, die freilich ihre eigene, traumatische Vergangenheit nicht ausspart. Geschlagene sechs Stunden später ärgert man sich zwar nicht, die Sache gesehen zu haben und mal mehr, mal weniger gut unterhalten worden zu sein, wundert sich aber doch ob des Hypes, der diese Produktion umgibt. Über weite Strecken fühlt man sich wie in einer sehr ausgedehnten und um einige (entschärfte) Lynch’sche Absurditäten ergänzten Wallander-Folge. Es fehlt vielfach an Schlagkraft, die 'comfort zone' abendlicher Fernsehunterhaltung wird von manch gutem 'Tatort' effektvoller verlassen und wo die epische Länge eine Chance zu umfassenden Charakterskizzen böte, ergeht sie sich oft etwas zu sehr in Nebenstränge und Aufnahmen der (zugegeben sehr schönen) neuseeländischen Landschaft.

Die Auflösung kommt schließlich leider sowohl überhetzt als auch einigermaßen hanebüchen daher. Immerhin zeigt 'Mad Men'-Sekretärin Elisabeth Moss in der Hauptrolle vollen Einsatz und die Weite der spärlich besiedelten Berg-, Seen- und Wälderlandschaft sorgt für einige beunruhigende 'last frontier'-Erfahrungen im offenen Raum. Außerdem gibt es noch eine ganz unglaubliche Menge verblüffender Tätowierungen an den oft entblößten Leibern männlicher Hinterwäldler zu bewundern (die alle, wirklich alle miteinander verwandt sind und ihr Erbgut gerne auch mal geschickt in die bürgerlichen Schichten des Dorfes diffundieren lassen) und ein spiritistischer Trailerpark mit selbstsuchenden Frauen aus zerrütteten Verhältnissen sorgt für leidlich komisch-absurde Aufhellung. Am Ende reicht das aber doch alles eher für drei mittellange (oder sechs kurze) Abende auf der Fernsehcouch als für einen ganzen Tag im Kino.

Dieser Text ist zuerst anlässlich der Berlinale 2013 in der filmgazette erschienen.

Benotung des Films :

Janis El-Bira
Top of the Lake
Australien / USA 2012 - 300 min.
Regie: Garth Davis, Jane Campion - Drehbuch: Jane Campion, Gerard Lee - Produktion: Trishia Downie, Lucy Richer - Bildgestaltung: Alexandre de Franceschi, Scott Gray - Montage: Adam Arkapaw - Verleih: Polyband - Besetzung: Cohen Holloway, Holly Hunter, Peter Mullan, Sarah Valentine, Thomas M. Wright, Matt Whelan, Mirrah Foulkes, Jay Ryan, Benjamin Farry, Michelle Ang, Jacek Koman
Kinostart (D): 30.11.-0001

DVD-Starttermin (D): 15.11.2013

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt2103085/