„The Founder“ ist, so viel kann man wohl mit Fug und Recht sagen, ein Faszinosum. Ein Film, der faszinierend ist in seiner eigenen Faszination für das Böse, die bedingungslose Über-Leichen-Geh-Mentalität seiner Hauptfigur, die an einer Stelle erklären darf: „Contracts are like hearts, they’re made to be broken.“ Besagte Hauptfigur ist der von einem manisch aufspielenden Michael Keaton gegebene Ray Kroc. ‚Ray wer?‘, fragen Sie sich jetzt wahrscheinlich. Und gegen Ende des Films erklärt Croc, dass man mit einem Namen wie dem seinen mit seinem slavischen Touch einfach kein richtiges Geld verdienen könne. Dazu braucht es schon einen Namen, der nach etwas klingt, der sich richtig amerikanisch anhört (wobei das „Amerikanische“ hier auch schon irischen Ursprungs ist). Und der, dem er das erklärt, hat einen solchen Namen, der ihm doch am Ende kaum etwas einbringt, den er regelrecht verliert an den Mann, der Kroc heißt. Dieser Name lautet Mac McDonald, wie in dem Schnellrestaurant, das nach ihm und seinem Bruder benannt wurde, und dessen Rechte sie schließlich für einen Preis an Kroc abgeben müssen, der sich verglichen mit dem Imperium, das aus ihrem Laden im kalifornischen San Bernardino über die Franchise-Idee Krocs erwächst, ausnimmt wie die Waren im Wert von 60 niederländischen Gulden für die, die europäischen Siedler von deren indigenen Bewohnern eine Insel an der amerikanischen Ostküste kauften, die später Manhattan heißen sollte.
Ob diese Assoziation von Regisseur John Lee Hancock und seinem Drehbuchautor Robert D. Siegel intendiert war oder ob sie alleine das Produkt meiner postkolonialistisch geschulten Phantasie ist, tut dabei wenig zur Sache, denn sie ist dahingehend stimmig, dass bei Siedlern und „Indianern“ wie bei Kroc und den McDonald-Brüdern zwei Wertsysteme aufeinander prallten, die sich so grundlegend voneinander unterschieden, dass sie zwangsläufig in die Unterwerfung und Ausbeutung des einen durch das andere münden mussten. Dass es bei Krocs McDonald-Imperium schließlich darum gehen wird, das Land zu verpachten, auf dem immer mehr der beliebten Schnellrestaurants entstehen, dass es also um die Erde geht, auf der Kroc gleich mehrmals sitzen darf, die ihm symbolträchtig durch die Finger rinnt, unterstreicht nicht nur die kolonialen Konnotationen dieser Art des Wirtschaftens, es wird auch noch im top shot gefilmt. Über dem McDonalds-Gründer steht höchstens noch Gott, und wer sich in derart „von oben“ legitimierter Landnahme übt, der kann es kaum vermeiden, sich dabei auch die Hände schmutzig zu machen.
Nur ganz zu Beginn seines kometenhaften Aufstiegs sieht Kroc auch noch in dem bewunderten Schnellrestaurant in San Bernardino nach dem Rechten, kontrolliert akribisch, dass auf jedem Burger die gleiche Anzahl von Gurkenstückchen landet. Ob die Assoziation zur Robert De Niro-Figur in Martin Scoseses Meisterwerk „Casino“, die als mafiöser Casino-Betreiber seine Untergebenen in der Küche energisch dazu anhält, die gleiche Menge Blaubeeren in jeden Muffin zu füllen, von den Filmemachern beabsichtigt war oder ob sie wiederum ein Produkt meiner cinephil geschulten Phantasie ist, tut ebenfalls nichts zur Sache, denn auch hier passt die Analogie zwischen dem großen Gründer und dem Gangster wie die Faust aufs Auge oder eben wie die Gürkchen auf den Burger. Das ist schon deshalb interessant ist, weil die beiden Erfolgsgeschichten auf den ersten Blick konträrer nicht sein könnten. Die Spießigkeit des Familienamerikas der Fünfziger hier, der absolut nicht jugendfreie Glamour der Siebziger dort, der spätestens mit Einsetzen der Achtziger endgültig in Gewalt und Exzess pulverisiert wird. Interessant ist auch der Vergleich der beiden Frauenfiguren. Sharon Stone säuft und kokst sich bei Scorsese tot, Laura Dern, die hier alles, aber sicherlich nicht wild at heart ist, sehen wir dabei zu, wie sie sich langsam, aber sicher zu Tode langweilt. Den Ambitionen ihres Mannes steht sie so lange mit eingefrorener Mine im Weg, bis er betont einsilbig beim Essen die Scheidung von ihr verlangt.
Wo das Geschäft mit dem Laster sich auf Las Vegas beschränkt, wie San Bernardino eine Stadt in der Wüste, wenn auch eine etwas größere, bilden die family values, das „religiöse“, das (ur)“amerikanische“ (dazu später mehr) und der mit ihnen – nicht zwangsläufig, aber doch sehr wahrscheinlich – einhergehende Verzicht bald ein globales Netzwerk, das in Sachen krimineller Machenschaften nicht nur das Gangster-Über-Ich eines De Niro, sondern auch noch das psychopathische Es, das bei Scorsese von Joe Pesci verkörpert wird, wie zahme Provinzgauner dastehen lässt. Und für einen langen schmerzlichen Augenblick fragt man sich dann, ob die Stone-Figur nicht doch alles richtig gemacht hat.
Doch fangen wir am Anfang an. Da scheint der Keaton-Kroc, der selbst noch als talking head larger than life ist, wie er da mittig im Scopebild prangt, sich direkt an die Zuschauenden zu wenden, um ihnen einen Mixer zu verkaufen – bis ein Schnitt seine Bemühungen in einen anderen Kontext stellt. Den Mixer kauft der Mann, der nun in der Szene unsere Position als Adressat von Krocs Verkaufsmonolog einnimmt, dann erst mal nicht. Dafür bestellt ein rätselhaftes Restaurant in Kalifornien gleich sechs der Milchshakemacher, was bei Kroc so viel Eindruck schindet, dass er den weiten Weg aus Illinois in Richtung Westen antritt.
Das Restaurant der Brüder Dick (Nick Offerman) und Mac McDonald (John Carroll Lynch) versetzt ihn zunächst gehörig ins Staunen. Das Essen ist schon fertig, kaum hat man es bestellt. Statt Teller, Besteck und Glas gibt es einen Pappbecher und eine Papiertüte, was es ermöglicht, seine schnelle Mahlzeit überall einzunehmen. Zuhause, im Auto, auf einer der Bänke vor dem Lokal, vor dem sich eine lange Schlange gebildet hat. Bei einer Tour kann sich der Geschäftsmann von den Vorzügen des sogenannten Speede-Systems überzeugen. Also will Kroc ins florierende Geschäft einsteigen. Franchises von McDonalds überall in Amerika, ach was, der ganzen Welt eröffnen. Nicht mal diese Idee stammt indessen wirklich von ihm. Die Brüder hatten bereits zuvor versucht, an verschiedenen Stellen des Landes neue Filialen zu eröffnen, was aber letztendlich wohl an ihrer Gutmütigkeit gegenüber den Franchises scheiterte, die ihnen mit ihren eigenen Ideen und Visionen gehörig auf der Nase herumtanzten (oder vielleicht war die Welt ein paar Jahre oder Monate vor dem Siegeszug Ray Krocs einfach noch nicht so weit, dass man überall auf ihr das gleiche Essen in einem Restaurant derselben Kette kaufen konnte, so viel Hoffnung sei, wenn schon nicht in die Zukunft, dann doch immerhin in die Vergangenheit gesetzt).
Zentralisierte Gleichschaltung ist also das Konzept, die Vision des Ray Kroc, der nichts mehr erfinden oder gar produzieren muss, um ein Imperium aufzubauen. Ja, selbst der „golden arch“, aus dem später das ikonographische, raumgreifende, aus den urbanen Architekturen der Gegenwart schwerlich wegzudenkende M werden sollte, war nicht seine Idee, sondern lediglich die Vision, dass sich dieser gelbe Bogen irgendwann, wie das Kreuz auf den Kirchen und die Fahne auf den Rathäusern, in jeder amerikanischen Kleinstadt finden solle. Die Nation, die Religion – und McDonalds. Das Kapital will sich, schon lange vor seiner neoliberalen Entfesselung und mitten in den stockkonservativen Fünfzigern, gleichwertig neben Gott und Vaterland stellen, ja, es versteht es sogar, den Zeitgeist geschickt für sich zu nutzen, indem es an die wichtigste Institution einer, nun ja, wertkonservativen Gesellschaft appelliert: die Familie. (Der Film unterstreicht, dass Ideale, Bilder für jemanden wie Kroc nur eine Ware sind, die es gewinnbringend zu handeln gilt, durch seine eigene kinderlose frustrierende Ehe. Dadurch dass dieser Kroc gewiss kein family man ist.)
Kroc tritt denn auch als eine Art komplett ökumenischer Prediger auf, der sich in explizit religiösen Kontexten, in Kirchen und Synagogen an verschiedenste Religionsgemeinschaften wendet, um Franchises anzuwerben. Rabbi, Pfarrer, Priester vereint in einem Mann mit der Mission, weltliche Güter zu vermehren – auch für die Masse, der er predigt, aber in erster Linie für sich selbst. Eine furiose Montagesequenz, an exponierter Stelle ziemlich genau in der Mitte des Films, lässt seine verschiedenen Predigten vor sehr heterogenem, aber in gleichem Maße gebannten Publikum zu einem abgehackten Einerlei aus einigen ständig wiederholten Schlagwörtern werden. Wie wenig kritisch der Film sich auch dem System gegenüber gibt, das Karrieren wie die Krocs erst möglich macht, seine Sprache nimmt hier eindeutig den Motivationssprech des Neoliberalismus vorweg. Eins werden nicht nur die Ansprachen vor Juden, Katholiken, Baptisten, sondern auch die (kapitalismus-)geschichtlichen Epochen.
Dass ich den Film nicht so uneingeschränkt mögen kann, wie ich gerne würde, dass er bei allen unzweifelhaften Qualitäten doch eine sehr zwiespältige Angelegenheit bleibt, liegt daran, dass er letztlich sein Potenzial für eine grundsätzliche Kritik an dem System verschenkt, das Menschen wie Kroc erst den Nährboden für ihre Machenschaften gibt, die, wenn (noch) nicht offen kriminell, dann doch, gelinde gesagt, moralisch mehr als fragwürdig sind. Bei aller Faszination für seine Hauptfigur lässt der Film zwar kaum einen Zweifel daran, dass Kroc ein ziemlich skrupelloses Arschloch war, er tut aber nichts anderes als ausgerechnet den Kapitalismus der McDonalds-Brüder als das Gute gegen diese Ruchlosigkeit und Amoral aufzustellen. Schon dieser begründetet aber auf Raubbau an Mensch und Natur.
Das von den Brüdern entwickelte Spedee-System in der Küche sieht schick aus, wenn man es im capitalist gaze-Modus auf einem Tennisplatz einübt, natürlich mal wieder aus der Vogelperspektive gefilmt. Für die MitarbeiterInnen aber bedeutet es mehr Stress, den Preis für das Essen in 30 Sekunden bezahlen letztlich sie durch einen Sprung in der – kapitalistischen Lohnarbeitsverhältnissen immer schon eingeschriebenen – Entfremdung von dem Produkt ihrer Arbeit, an dessen Produktion sie nur noch als menschliche Zahnräder in einer perfekt geölten Maschinerie beteiligt sind. Und damit ist kein Wort gesagt über die Belastung der Umwelt, die der Verzicht auf wiederverwertbares Geschirr zugunsten von Wegwerfverpackungen aus Pappe und Plastik mit sich bringt.
Die Los Angeles Times sieht in dem, was Kroc mit den Brüdern macht, auch eine Vorwegnahme des Verrats der Ideale einer Nation durch eine kleptokratische Elite, wie sie sich gerade im Trump-Amerika wiederholt. Doch das greift eben zu kurz. Das eigentliche Problem sind nicht Raymond Kroc, Donald Trump oder Mark Zuckerberg. Das Problem ist ein Wirtschaftssystem, das auf Ausbeutung, Gier und Skrupellosigkeit fußt: der Kapitalismus.
Dieser Text ist zuerst gekürzt erschienen auf: perlentaucher.de