Unsere Jungs in Hollywood waren bisher fürs dumpf Patriotische zuständig: Wolfgang Petersens »Air Force One« ließ sich der damalige US-Präsident Clinton gleich mehrmals vorführen, Roland Emmerich beglückte die Nation mit »Independence Day« und »The Patriot«. Jetzt liest Roland der Rächer den Amis die Leviten. Die Medien handelten seinen Science-Fiction-Blockbuster über die Folgen der globalen Erwärmung bereits als Wahlkampfmunition für den Präsidentschaftskandidaten John Kerry – da machten die Folter-Fotos aus dem Irak Emmerich einen Strich durch die PR-Rechnung. Deutsche Antiamerikaner und Bush-Basher dürfen sich trotzdem freuen. Wie Bush, der das Kyoto-Protokoll bereits zu Beginn seiner Amtszeit als unwichtig abtat, schlägt die Regierung im Film die Warnungen eines Klimaforschers in den Wind – und muss dafür büßen: L.A. wird von Tornados plattgemacht, New York vereist, Tausende US-Bürger flüchten illegal über die mexikanische Grenze, und der Bush nicht unähnliche Mr. President krepiert im Schneesturm. Ätsch! Der deutsche Mann fürs Grobe hat einen Film fabriziert, dem man die Schadenfreude anmerkt. Emmerichs neuer Präsident hat die Lektion gelernt: »Heute sind viele von uns zu Gast in Nationen, die wir einst als Dritte Welt bezeichneten … Ihre Großzügigkeit hat mich erkennen lassen, wie dumm unsere frühere Arroganz war und wie notwendig eine künftige Zusammenarbeit ist.«
Nachdem Al Gore bereits frohlockt hatte, Millionen von Menschen würden aus dem Kino kommen und sich fragen, ob so eine Klimakatastrophe möglich sei, erwiderte ein Sprecher von Bush: »Die Leute wissen, dass sie Unterhaltung gucken, die nicht auf wissenschaftlichen Fakten basiert.« Wenn es denn wenigstens Unterhaltung wäre. Es ist schon eine besondere Leistung, mit 120 Millionen Euro und allen erdenklichen Special Effects eine Eiszeit zu kreieren, die einen dermaßen kalt lässt. Dass die zerrüttete Kleinfamilie des Klimaforschers nach diversen Rettungsaktionen tränentriefend zusammenfindet, ist so vorhersehbar wie die debilen Dialoge der offenbar schockgefrorenen Darsteller – woraus ein Whitley Strieber auch noch ein »Buch zum Film« (Blanvalet Verlag) bastelte.
Die Mainzer »Stiftung Lesen« nimmt das Werk des Dreiviertelalphabeten Emmerich zum Anlass für eine Schulkampagne: Der Film biete »neben der Auseinandersetzung mit Fragen rund um das Klima und das Wetter eine Grundlage zur literarischen, politischen und philosophischen Thematisierung des Komplexes Mensch-Natur«. Die »philosophische Thematisierung dieses Komplexes« in »The Day after Tomorrow« ist in der Tat schwer zu toppen: »Menschen sind die erstaunlichsten und erfindungsreichsten Geschöpfe der Erde«, weiß der Klimaforscher im Film. Roland Emmerich muss eine Ausnahme sein.
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 06/2004