„Man muss nur ganz genau hingucken, dann kann man alles sehen!“, heißt es einmal optimistisch zu Beginn des Films. Dabei meint „genau hingucken“ das Erfassen und Auswerten endloser Zahlenkolonnen aus Kreditverträgen in einem Geschäftsgebiet, das naturgemäß als absolut sicher gilt. Es geht in „The Big Short“ um das Platzen der US-Immobilienblase 2008, das eine weltweite Finanzkrise auslöste. Eine Handvoll schrullig-durchgeknallter oder auch ambitionierter Trader setzen genau darauf und versuchen aus ganz unterschiedlichen Gründen, die Welle Gewinn bringend zu reiten. Sie schauen hinter die vor Selbstbewusstsein und -überschätzung strotzende Fassade des Finanzkapitals und lernen fassungslos das Schaudern ob der herrschenden A-Moral.
Und auch das Lachen, denn „The Big Short“, die Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Michael Lewis, ist auch eine Farce. Weil die Storyline die These vom „Genau-Hinschauen“ zwar postuliert, aber Regisseur Adam McKay („Anchorman“, „Talladega Nights“) sich dafür entschieden hat, diese These in der Praxis des Erzählens zu dementieren, wird der Zuschauer in atemberaubendem Tempo bis zur Erschöpfung mit allerlei esoterischen Informationen und Termini zu Usancen des Kreditwesens massiert. Information overload, Baby! McKay geht an die Schmerzgrenze, nutzt dazu allerdings lauter formale Strategien, die einst theoretisch mit politischem Filmemachen verbunden wurden.
Mit einer Ausnahme gibt es keine Identifikationsfiguren, dazu nutzt „The Big Short“ allerlei Distanzierungsstrategien wie einen unzuverlässigen Erzähler, eine Aufhebung der Chronologie in einer Vielzahl von Parallelhandlungen, hohe Schnittfrequenz mit surrealen Effekten, kurze autonome Lehrstück-Szenen mit Prominenz wie Anthony Bourdain oder Selena Gomez, eine komplexe Tonspur-Choreografie mit Off-Erzähler und nur angerissenen Dialogen, überlagert oder unterfüttert von Musik und visuell von US-Medien-Folklore und dokumentarischem Material.
Während der Film forciert auf Sarkasmus in der Haltung zum Gezeigten setzt, staunt man nicht schlecht, wenn auf der Zielgeraden plötzlich durchaus wieder eine Moral der Geschichte herauspräpariert werden soll. Es sei schließlich nicht hinnehmbar, wenn der kleine Mann die Zeche für Freibeuter und Glücksritter zu zahlen habe. Eine etwas matte Botschaft, verglichen mit der Emphase des Erzählens.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 1/16
Hier gibt es eine weitere Kritik zu 'The Big Short'.