Seit acht Jahren lebt Suraj Baba als Einsiedler in einer Höhle des Himalaya auf über 3000 Metern Höhe. Hier in Gangotri, wo der Ganges, Indiens heiliger Fluss, entspringt und die Felsen ausgewaschen hat, übt sich der junge Hindu in Askese und Meditation, um sein Bewusstsein zu erweitern. Suraj Baba ist ein Sâdhu, ein „guter, heiliger Mann“ und „Wahrheitssucher“, der sich von seiner Familie getrennt hat und als Bettler ein einfaches, reines und keusches Leben führt. In seiner Grotte, beschränkt auf das Nötigste, backt und kocht er am offenen Feuer. Eine Ratte leistet ihm Gesellschaft. In anderen Szenen von Gaël Métroz‘ intimem Filmporträt „Sâdhu“ taucht der Mann mit den langen Haaren und dem üppigen Bart in das kalte Wasser des Flusses und bittet Gott um Wegweisung. Denn seine geistigen Kämpfe und inneren Zweifel sind längst nicht befriedet. Suraj Baba ist ein Fragender, der sich nach Frieden sehnt und dabei ein gewinnendes Lächeln besitzt.
„Was ist die Essenz des Lebens?“ „Wohin soll ich gehen?“ „Hat Gott überhaupt Antworten?“ Suraj Baba ist kein erleuchteter Weiser, der mit seinem Wissen in sich selbst ruht. Vielmehr stockt sein Reden immer wieder, bricht ab oder verliert sich im Vagen. „Worte sagen wenig über deine Gefühle“, erklärt er sein Schweigen, das vielleicht gerade aus der Menschenferne kommt. Stattdessen singt er in bestem Englisch, das ihn als einen Gebildeten ausweist, selbstkomponierte Folksongs und begleitet sich dazu auf der Gitarre. Métroz‘ Erzählstoff und die Möglichkeiten seiner inhaltlichen Entwicklung sind insofern mitunter etwas dürftig – ein Mangel, der auch durch die stimmungsvollen Bilder majestätischer Landschaften nur bedingt kompensiert werden kann.
In diese bricht der Sâdhu schließlich auf, um zum Ursprung von etwas Konkretem zu gehen und damit meint er die heiligen Seen Tibets. Seine Pilgerreise führt ihn allerdings zuerst zum hinduistischen Fest Kumbh Mela in Haridwar, wo Heerscharen von Pilgern sich im Ganges von ihren Sünden reinwaschen. Zwar begrüßt Suraj Baba die Abwechslung, doch er erlebt sich inmitten des außerordentlich beeindruckenden Treibens, das er als einen „großen Zirkus“ und als „Theater“ empfindet, auch als einen individualistischen Skeptiker, der nach Gott fragt und nach einem eigenen Lebensweg sucht. Dieser führt ihn schließlich auf eine lange Wanderung über Nepal bis in die hochgebirgige Grenzregion zu Tibet, was Gaël Métroz in (film)logistisch nicht immer stimmigen Reiseimpressionen verdichtet. Immer wieder heften sich dabei die Gefühle des Suchenden an die sinnlichen Erfahrungen des Lebens. Und man spürt, wenn Suraj Baba in einer der emotionalsten Szenen durch seine Zweifel hindurch vom Loslassen spricht, wie viel Selbstüberwindung ihn diese Aufgabe kostet.