Die etwas überkonstruierte Exposition des Films besteht aus einer Parallelmontage, in der die beiden Hauptfiguren, ihre Charaktere und ihre Geschichten knapp umrissen und aufeinander bezogen werden. Wir erfahren, dass der gelernte Journalist Martin Sixsmith (Steve Coogan) soeben seinen Job als Pressesprecher der britischen Regierung verloren hat, aufgrund seines beruflichen Abstiegs unter Depressionen leidet und nach einem neuen Betätigungsfeld sucht. Sein Arzt empfiehlt ihm, zu joggen, während er selbst ein halbgares Buchprojekt über russische Geschichte verfolgt. Auf der anderen Seite tauchen wir mittels leicht aufdringlicher Rückblenden in die Leidensgeschichte der fast siebzigjährigen Titelheldin Philomena Lee (Judi Dench) ein, die sich am 50. Geburtstag ihres unehelich geborenen Sohnes an ihren schrecklichen Aufenthalt in einem irischen Kloster für sogenannte „gefallene Mädchen“ erinnert. Damals, zu Beginn der 1950er Jahre, wurde ihr nach einer schweren Geburt das geliebte Kind weggenommen und zur Adoption freigegeben. Heute, in der Gegenwart der Erzählung, wird sie getrieben von dem Wunsch, ihrem Sohn einmal zu begegnen.
Stephen Frears „nach einer wahren Geschichte“ entstandener Film „Philomena“, der auf Martin Sixsmiths Buch „The Lost Child of Philomena Lee“ basiert, funktioniert wie ein liebenswertes Buddy-Movie, in das jedoch von Anfang an die düsteren Motive einer spannenden Detektivgeschichte eingewoben werden. So begibt sich das ungleiche Paar, zusammengeführt durch den Auftrag für eine „human interest story“, der Sixsmith zunächst skeptisch gegenübersteht, auf eine gemeinsame Spurensuche nach dem „verlorenen Kind“. Während die beiden in dem irischen Kloster auf eine Mauer des Schweigens stoßen, erfahren sie in Washington, dass Philomenas Sohn als leitender Rechtsberater der Regierung gearbeitet hat, homosexuell war und Mitte der 1990er Jahre an Aids verstarb. Die schwer lastende Ungewissheit, schwankend zwischen Angst und Hoffnung, verwandelt sich für Philomena auf dieser Reise in die Vergangenheit in einen tragischen Schmerz, der aus den unabänderlichen Tatsachen einer schier unglaublichen Geschichte aufsteigt.
Abgemildert und aufgefangen wird dieses Schicksal durch die sich vorsichtig und behutsam vollziehende Annäherung zwischen der menschenfreundlichen und trotz allem gläubigen Philomena (nomen est omen) und dem mehr intellektuellen, dem Realitätsprinzip folgenden Martin. Entsprechend tragikomisch ist die Tonlage des routiniert inszenierten Films. Stephen Frears, der in den achtziger Jahren zu den Erneuerern des britischen Kinos gehörte, ist längst im gepflegten Arthouse-Mainstream angelangt. In „Philomena“ kreuzt er souverän die Genres und Stile, um ebenso unterhaltend wie berührend den Zuschauer mit einem politisch brisanten, ziemlich dunklen und deshalb lange Zeit verschwiegenen Kapitel der irischen Gesellschaft zu konfrontieren. An dessen Ende halten sich auf versöhnliche Weise Aufklärung und Vergebung die Waage.