»Die ›Kleinen‹ sind wie Laufburschen. Sie unterstützen die Kämpfer mit Waffen.« Die Rede ist nicht vom Kriegseinsatz afrikanischer Kindersoldaten, sondern vom Alltag in einer typischen Pariser Vorstadtsiedlung, in der sich die Polizei nicht gern blicken lässt. Wie bereits in früheren Filmen schlägt sich Jacques Doillon auf die Seite der Kinder am Rand der Gesellschaft. Seine Gang der Unerwünschten besteht aus Arabern, Afrikanern und Juden, die sich einerseits gegenseitig mit den entsprechenden rassistischen Beschimpfungen beharken und andererseits gegen die feindliche Außenwelt verbünden – z. B. mithilfe einer gemeinsamen Silbenverdrehsprache, dem so genannten Verlan (von langue und à l’envers).
Sie müssen »noch ein bisschen wachsen«, ehe sie mit etwa sechzehn zu den »richtigen Gangstern«, »den Kings des Viertels« aufsteigen, schwärmt der arabische Teenager Iliès. Bis dahin bekämpft der Nachwuchs auf der Straße – denn in den Sozialhilfebehausungen ist es zu eng – den schlimmsten Feind: die Langeweile. Doillons Resümee: »Sie machen Ärger und geraten in Schwierigkeiten wegen nichts und für nichts« – und wir sehen dabei zu. Der Handkamerastil sorgt dafür, dass man sich eher in einem Dokumentar- als in einem Spielfilm glaubt – , wäre da nicht der HipHop-Soundtrack von Oxmo Puccino und die leicht utopische Handlung: Die 13jährige Protagonistin (Touly), die von zu Hause abhaut und unter den harten Sitten der Banlieues zu leiden hat, erkämpft sich den Respekt der »Kleinen«.
Hoffnung macht Doillon letztlich wenig: »Ja, Kinder sind fordernd. Ja, sie wollen ein Bett und eine Playstation, aber sie wollen auch … Interesse, Zeit, Vertrauen … Was wollen sie als nächstes, etwa einen Job? Ich sage Ihnen, sie sind verrückt!« Oder im Verlan gesprochen: »Ils sont ouf.«
Dieser Text erschien zuerst in: Konkret 07/2000