Die Fotografie zeigt sechs 10-jährige palästinensische Jungen (und einen siebten, der in die entgegengesetzte Richtung schaut und über den man leider nichts erfährt), die mit strahlenden Gesichtern und leuchtenden Augen in die Kamera blicken und dem Betrachter dabei übermütig das Victory-Zeichen entgegenstrecken. Eine schelmische Komplizenschaft und eine unbändige Bewegungslust, von kindlichem Enthusiasmus und Neugier angespornt, sind darauf festgehalten. Aufgenommen wurde das Bild von dem Fotografen Ralf Emmerich 1989 in Bethlehem, wo während der ersten Intifada ein „Krieg der Steine“ tobte. Für den Dokumentarfilmer Robert Krieg, der damals seinen Film „Intifada – Auf dem Weg nach Palästina“ drehte, ist dieses Foto „zu einem Symbol des Widerstands gegen die Besatzermacht“ geworden. Zwanzig Jahre später dient es ihm und seiner Ko-Autorin Monika Nolte als Ausgangspunkt für ihren neuen Film „Kinder der Steine – Kinder der Mauer“ und damit für eine Spurensuche über verlorene Hoffnungen und unzerstörbare Träume.
Die Nachstellung des Bildes mit den heute 30-jährigen Männern in einer engen Gasse der Bethlehemer Altstadt steht am Beginn von Kriegs und Noltes Dokumentarfilm über den Werdegang und die persönlichen Lebensverhältnisse der Portraitierten. Die räumliche Nähe zueinander, eine langjährige Freundschaft und eine tiefe Solidarität zwischen den Familien sind ihnen über die Jahre hinweg erhalten geblieben. Trotz eingeschränkter Arbeitsmöglichkeiten haben sie ihr bescheidenes Auskommen als Souvenirverkäufer, Geldwechsler, Küchenhilfe, Reinigungskraft oder auch als Hühnermetzger gefunden und sich dabei eine grundlegende Lebensfreude bewahrt: „Wir lachen immer noch, aber unser Lachen damals war viel herzlicher.“
Denn im sichtbaren, etwas redundant ins Bild gesetzten Zentrum des Films stehen die einschneidenden Veränderungen durch den israelischen Siedlungsbau und die Errichtung einer gigantischen Grenzmauer nach dem Einmarsch von Truppen in die Autonomiegebiete im Zuge der zweiten Intifada. Zwar witzeln die Freunde desillusioniert, die Häuser seien mit den Steinen von damals gebaut worden; doch tatsächlich haben diese zerstörerischen Eingriffe ihre Perspektive regelrecht verbaut und sie zu Eingeschlossenen gemacht. Dass der Film bei den teils inszenierten Schilderungen dieser beschwerlichen Lebensverhältnisse und ihrer geschichtlichen Rekonstruktion thematisch einerseits auf der Stelle tritt, spiegelt andererseits in sich die reale Stagnation im Alltag von Menschen, die vielleicht gerade deshalb eine starke Solidarität eint.