Neben Astrid Lindgren hat seit den siebziger Jahren niemand so sehr seine Finger in der Sozialisation unserer Kinder gehabt wie Janosch, der verschrobene oberschlesische Hinterwäldler. Aber man möchte sagen, dass die Geschichte der Kinderliteratur schon Schlimmeres hervorgebracht hat als Pippi Langstrumpf oder den Kleinen Tiger, man denke z.B. nur an den auch heute noch in den Kinderstuben anwesenden Inbegriff preußischer Sadopädagogik wie den „Struwwelpeter“. Die ungeheure Popularität von Janosch und Lindgren ist sicherlich deren hohem kreativen Output geschuldet – aber eben auch jenem gewissen Etwas, das die kindliche Seele anspricht, weil dessen Urheber die kindliche Seele verstanden haben.
Schön an Janoschs Oeuvre ist vor allem schon immer sein kreativer Wildwuchs gewesen, seine gegen den Strich gebürsteten, fantasiereichen Geschichten, in einer farbenfrohen Welt voll mit Schaustellern, Bären, Gänsen oder Fröschen, die lustige Namen tragen und nicht nur verschrobenes Zeugs erleben, sie sprechen auch eine ganz spezifische, nämlich die Janosch-Sprache, dem Deutschen zwar verwandt, aber immer als von Janosch kreierte erkennbar. Und mal von der von vornherein wie ein Konsumtionsprodukt erscheinenden Tigerente abgesehen, besitzt jede Figur bei Janosch einen individuellen und liebevollen Pinselstrich – eben den janoschschen Charakter, der sich – das bewiesen die fürs Fernsehen in den Achtzigern produzierten 26 Folgen von „Janoschs Traumstunde“ – problemlos und ohne Qualitätseinbußen in den Zeichentrickfilm überführen ließ. Fast noch lustiger als im Original des illustrierten Buchs gerieten etwa die 25-minütigen „Tiger und Bär“-Folgen, wenn etwa der Doktor Brausefrosch dem kranken Tiger (Diagnose: Streifen verrutscht!) in rheinischer Mundart den OP-Ablauf erklärt.
Rheinische Mundart gibt’s in „Janosch – Komm wir finden einen Schatz!“ leider nicht mehr, werden die Figuren doch von Symphatieträgern wie Michael Schanze (dessen tiefe Stimme sich anhört, als wäre er zwischenzeitlich in einen zweiten Stimmbruch gekommen), Elton oder Malte Arkona, einem KIKA-Moderator, gesprochen, und überhaupt merkwürdig ist, wie, seitdem Janoschs „Tiger und Bär“-Geschichten für das Kino adaptiert werden, das typisch Janoschsche daraus eher verbannt wird, so als wäre die Janosch-Phänomenologie, die Eigenwilligkeit seines Striches und seiner Sprache plötzlich nicht mehr kindgerecht oder zumindest nicht kinderkinokompatibel. Schon in der ersten Kinoadaption eines Janosch-Stoffes für die Leinwand, in „Oh, wie schön ist Panama“, fielen die Glätte und Rundheit der beiden Protagonisten Tiger und Bär unangenehm auf, doch vor allem waren sie ihrer Sprache und somit ihrer charakterlichen Eigenarten beraubt, und so der beiden Merkmale, die Janoschs Geschichten doch erst ausmachen.
Dieses zweifelhafte Verfahren der Verflachung wird nun leider auch (nach der 'Tigerentenbande', 2011) in der dritten Kinoaufbereitung fortgesetzt. Sowohl Tiger als auch Bär sehen aus wie rundköpfige Teddybären, also langweilig, und die dritte Hauptfigur, Jochen Gummibär, hat nichts mehr gemein mit seinem literarisch-grafischen Original: Wo jener klein wie ein Gummibär und zugleich mutig wie ein Löwe war, ist dieser hier groß und ängstlich darum bemüht, Freunde zu finden, also eher eine Allerweltsfigur …
Besonders auffällig ist die Langsamkeit der Inszenierung, jedenfalls wenn vorher ein Trailer von „Ice Age 4“ über die Leinwand donnerte, aber im Prinzip spricht dieses wohl eher für eine gelungene Zielgruppenorientierung. Die Zielgruppe selbst (hier Tochter, 5 Jahre) jedenfalls findet den Film „schön, vor allem, weil alle am Schluss Freunde geworden sind. Blöde an der Geschichte war, dass der Kater (GoKatz) so blöd war, außerdem hat er behauptet, er könne zaubern, obwohl er einen Magneten benutzt hat, um die Nadel im Heuhaufen zu finden.“
Wir bilanzieren: „Janosch – Komm, wir finden einen Schatz“ ist gemäßigt actionreich, transportiert eine humanistische Message („Der größte Schatz ist die Freundschaft“), ist insofern, wie deklariert, für Kinder ohne Altersbeschränkung geeignet, aber insofern für Erwachsene (und insgesamt und im Vergleich zu den Büchern sicherlich auch für Kinder pädagogische Mangelware) eher langweilig, weil der Eigensinn aus Sprache und Zeichnung getilgt ist: ein geglätteter Janosch ohne Janosch-Charme.