Daniel Blake ist ein Mann, den manche als anständigen Arbeiter bezeichnen würden. Brav und pünktlich und versiert. Nun ist der alternde Tischler aber krank geworden. Er kriecht aufs Arbeitsamt, wo man ihm die Sozialhilfe verweigert. Er könne ja arbeiten gehen. Arbeitslosengeld gibt’s aber auch nicht, weil er laut Arzt nicht arbeitsfähig ist.
Formulare, mit denen man Widerspruch einlegen könnte, gibt es nur noch im „Neuland“, wie das mal eine alte deutsche Frau genannt hat, als sie zum ersten Mal vom Internet hörte. Auch der aufrechte Malocher hat dies noch nie von innen gesehen. Die Folge: Stromrechnung nicht bezahlt, Zwangsräumung droht. Alltag in Europas Landen.
Loachs Film über den digitalen Analphabeten will wie immer hartes Sozialdrama sein. Zum Glück lebt Blake in einer Art Einhornland, und das ist die prekäre Klasse Englands. Dort wohnen Menschen wie Katie, ebenso pleite wie er, nur mit Kindern und voll lieb. Auch der Nachbar, der sich mit Schuhe dealen und Kiffen über Wasser hält, ist – Solidarität! – ein grundguter Kerl. Von denen ist hier die ganze Unterschicht voll.
Nun kann das ja im einzelnen mit der Solidarität stimmen. Aber hier kommt‘s doch in Summe etwas dicke. Der Film läuft nicht lange, da fühlt man sich leicht manipuliert. Spitzensache, dachten sie dieses Jahr in Cannes und pflanzten dem Film die Goldene Palme.
Der Film wirkt irgendwie abgenutzt, wie ein Erdkundefilm aus den Siebzigern. Als wenn Loachs Filme mit dem Alter immer schwarz-weißer würden. Apropos: Leicht beschränkte Sichtverhältnisse wurden Loach desöfteren vorgeworfen. Letztes Jahr wünschte sich etwa das Art Magazin einen Boykott aller Filme Loachs, weil er seinerseits penetrant auf einen Komplettausschluss Israels bei jeglichen Kulturevents hinwirke. Loach begreift das Land als reinen Apartheidsstaat; er verhinderte sogar mancherorts die Teilnahme israelischer Künstler an Filmfestivals.
Übrigens Solidarität, hoch die: Sie ist dem Wesen nach doch international. Demnach könnte Loach auch mal einen Film über israelische Arbeitslose drehen. Beim nächsten Filmfestival könnte er dann seinen eigenen Streifen boykottieren.
Dieser Test ist zuerst erschienen in: Konkret 12/2016