‚Hier dreht sich alles um Kühe.‘ Fünf Eritreer, die die Behörden hinter dem letzten ostfriesischen Kuhkaff abgeladen und sich selbst überlassen haben, wundern sich über so manches. Zwei Ehrenamtliche haben sich ihrer angenommen. Ein pensionierter Lehrer gibt Deutschunterricht, erläutert den Kondomautomaten (‚When you love a woman, you must protect‘) und will sie ins Dorfleben integrieren – auf dass sie den Regionalsport ‚Boßeln mitnehmen in eure Heimat‘. Die Flüchtlinge machen derlei zunächst schüchtern lächelnd mit, nehmen auch einen Ein-Euro-Job an, in der Hoffnung, dass bald bessere Jobs winken. Als sich aber in vielen Monaten gar nichts tut, ihr Aufenthaltsstatus und das Schicksal ihrer Angehörigen ungewiss bleibt, wollen sie sich weder weiter ausbeuten lassen noch an Feel-goodAktivitäten beteiligen.
Diesen Prozess fängt die in der Nähe aufgewachsene Lisei Caspers in ihrer Dokumentation ein. Der gehörlose Osman, der in Gebärdensprache knapp von den Schrecken der Flucht durch die Wüste und dem Tod seiner Angehörigen erzählt, erweist sich als ausdrucksstärkster Interviewpartner. Die Regisseurin enthält sich des Kommentars, mischt unter die Szenen des tristen Alltags Wüstenbilder und – als Sinnbild des Stillstands – immer wieder: Kühe in der Weite des Flachlands.
Caspers erreicht ihr Ziel, ‚für das Schicksal der Flüchtlinge zu sensibilisieren … und unsere Umgangsweise mit ihnen zu hinterfragen‘. Denn sie beleuchtet auch die Rolle der Helfer, deren verständlicher Frust sich gegen die Flüchtlinge selbst richten kann: Während die eine selbst in Depressionen verfällt angesichts der zum Vegetieren Verdammten, ärgert sich der Lehrer über die nachlassende Motivation ’seiner Schützlinge‘: ‚In capitalism you have to fight.‘ Er wird später, als die fünf endlich ihre Anerkennung bekommen, teilweise ihre Angehörigen nachholen können und als ihr Lebensmut zurückkehrt, einräumen, dass er ihnen Unrecht getan hat. Die Langzeitstudie endet möglicherweise etwas zu hoffnungsvoll. Wie wird es den Porträtierten in fünf Jahren gehen? Fortsetzung erwünscht.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 04/2016