Lange Jahre war Bruce LaBruce die führende Kinotrashgestalt weit und breit. Christoph Schlingensief war erst am Theater und dann tot, John Waters aus Kostengründen Standup-Comedian.
LaBruce drehte politische Filme mit den Mitteln der Pornografie. Das ist ihm zum Teil gelungen, allerdings nahm die Politik niemand so richtig wahr. Kein Wunder: Den Schauwert liefert nun mal der Porno: Wer einen Nackten, der sich eine Kanone in den Hals steckt, zum Wichsen vor das Che-Guevara-Plakat stellt ('Raspberry Reich'), kann lange warten, bis sich jemand der inhaltlichen Reflexionen über die Rote-Armee-Fraktion annimmt.
Andererseits: Da hinterlässt er doch eine ziemliche Lücke. Der kanadische Künstler ist mit der Zeit altersmilde geworden und sein Werk romantisch. Gefühl, Dialog und tolle Bildideen rückten in den Mittelpunkt. Wie gestalten sich Liebe und Tod, was fängt man mit seiner Neigung zur Zuneigung an, wie sieht Leiden (gut) aus – das waren die Gestaltungsstrukturen, die das Drastische ablösten.
Konsequent auf diesem Kurs bleibend, bringt LaBruce nun 'Geron' ins Kino. Wie der Originaltitel 'Gerontophilia' andeutet, geht es darum, was die Erotik zum Alter zu sagen hat. Lake, der jugendliche Held, landet als Ferienjobber im Seniorenheim und entdeckt dort sein Faible für alte Männer. Mr. Peabody, 82, hat es ihm angetan. Als Arbeitnehmer in der Pflegebranche kommt Lake nicht am Medikamentenregime vorbei; ganz schnell wird die Sache mit der Liebe zu einer Reflexion über Menschenverwahranstalten.
Auf der anderen Seite: Lake hat in seinem Leben keinen älteren männlichen Ansprechpartner. Mutter ist solo und hängt an der Flasche. Die Freundin ist cool, jedoch mit ihrer Suche nach feministischen role models beschäftigt. Da ist es nur ein kleiner Schritt, bis die Liebenden entscheiden: Wir hauen ab vor der Gesellschaft – und wenn es das Leben kostet. Dieser Schritt in die Freiheit macht den Alten ganz schön attraktiv, man wird sich um ihn prügeln.
'Geron' ist ein ernster, sehr schöner Film, seine Helden sind einsame Individuen inmitten verdichteter Diskurse. Pornoszenen gibt es keine in diesem exorbitanten Werk. Das mag die Fans stören – aber ohnehin werden sie sich jemand Neues suchen müssen. LaBruce scheint entschieden zu haben: Das brauche ich nicht mehr – expliziten Sex wie Erwartungen. Sie könnten den Blick aufs Menschsein verstellen.
Dieser Text ist zuerst erschienen in: Konkret 11/14