Dem Beginn der Schlacht an der Somme am 1. Juli 1916 ging ein mehrtägiges Artillerie-Trommelfeuer auf deutsche Stellungen voraus. Doch die waren keineswegs geschlagen – und der Sturmangriff der Engländer wurde zum verlustreichsten Tag in der britischen Militärhistorie. Die Zeit vom 25. Juni bis 8. Juli an den britischen Frontlinien begleiteten zwei Kameramänner, die als offizielle Filmberichterstatter – embedded journalists sozusagen – Bildberichte aus Frankreich an die Heimatfront senden sollten. „The Battle of the Somme“ wurde schon am 10. August uraufgeführt – aktuellste Nachrichten von dieser Schlacht, von der noch keiner wissen konnte, dass sie bis November andauern, völlig ohne Ergebnis bleiben und über eine Million getötete, vermisste oder verwundete Soldaten hinterlassen würde.
Was für uns heute vor allem ein historisches Dokument ist, war damals aktueller Frontbericht: Unmittelbar konnte das Geschehen im Krieg, an der Front, in der Schlacht miterlebt werden. Über 20 Millionen verkaufte Eintrittskarten bei einer britischen Gesamtbevölkerung von 43 Millionen zeugen von dem ungeheuren Eindruck, den die Bilder machten: die Vorbereitungen der Schlacht, das Abfeuern riesiger Geschütze, Explosionen und Rauchwolken in der Ferne, das Voranstürmen – und die vielen Toten, die Verletzten, die gefangenen Deutschen. Natürlich ist dies ein Propagandafilm, der vor allem die Verbundenheit der Heimatfront mit den kämpfenden Soldaten stärken sollte; aber es ist der erste seiner Art, und anders als in späteren filmischen Frontberichten sieht man hier britische Leichen in Großaufnahme, und man kann die fröhlichen, zuversichtlichen Gesichter der Soldaten vor der Schlacht mit den erschöpften, schockierten, müden Mienen danach vergleichen … Eindrückliche ikonographische Bilder enthält der Film, wie Verletzte durch Schützengräben getragen werden etwa, oder, ganz eindrücklich, wie pferdegezogene Kanonen um im Gras liegende Tote dirigiert werden müssen, oder der Beginn des Sturmangriffs.
Doch hier stößt der Film an seine Grenze, und die Diskussion über Authentizität und über Ethik im Dokumentarfilm fängt an: Denn diese Szene, in der die Soldaten hinausstürmen und einer, offensichtlich tödlich getroffen, zurückbleibt, ist nachgestellt. Bildmaterial vom originalen Angriff konnte offenbar nicht verwendet werden, oder es war für den Kameramann zu gefährlich – hier wurde jedenfalls das Bild gefälscht, um die richtige Wirkung zu erzielen. Tatsächlich geben zeitgenössische Berichte wieder, wie betroffen gerade diese für echt gehaltene Szene die damaligen Zuschauer machte – doch dem heutigen Betrachter entgeht nicht, dass eine der „Leichen“ in der Abblende sich die Füße bequem übereinanderlegt …
Dem ganzen Film aber Unwahrheit zu attestieren, wie es in seiner 95jährigen Geschichte immer wieder geschehen ist: Auch das ist unlauter. Denn offensichtlich ist fast der gesamte Rest des Films tatsächlich authentisch entstanden, und andererseits muss natürlich aus dramaturgischen Gründen der Beginn der Schlacht im Film enthalten sein.
Im Audiokommentar geht Roger Smither, Leiter des Archivs für Film und Fotografie des Londoner Imperial War Museum, auch auf die Frage der Wahrhaftigkeit des Gesehenen ein – welche Szenen nachgestellt sind, auf welchen die Soldaten offenbar auf Anweisungen des Kameramanns hin handeln; und natürlich, wie sich die Soldaten der anwesenden Kamera bewusst sind und mit Grinsen, Winken und Posieren via Zelluloid einen Gruß an die Heimat senden. Doch vor allem gelingt es Smither, den Film historisch und geographisch einzuordnen, auf Details im Bild hinzuweisen und dabei stets die Absicht und die Wirkungsweise der Szenen mit einfließen zu lassen.
Dass der Film mit zwei alternativen Musikfassungen ausgestattet ist, ist eine Besonderheit: Um heutige Zuschauer emotional mitzunehmen auf die Zeitreise in die Schützengräben des Jahres 1916, hat Laura Rossi eine neue Filmmusik komponiert. Zusätzlich konnte die damalige Musikempfehlung rekonstruiert werden, ein Medley damals populärer Melodien – Klassik, Märsche etc. –, mit denen die Filmvorführungen begleitet werden sollten. Sodass dem Zuschauer musikalisch sowohl das Eintauchen in den Film, in die Wirkung seiner Bilder, als auch das Eintauchen in eine vergangene Epoche ermöglicht ist – in eine Zeit, in der die Filmzuschauer durchaus auf der Leinwand Bekannte, Verwandte, geliebte Menschen wiedererkennen konnten, mitten in der unmenschlichen Umschlingung des Krieges, Soldaten auf der Leinwand, die zum Zeitpunkt der Filmvorführung vielleicht schon tot waren.