Ah, Qualitätskino! Schon die nüchtern-weißen Credits auf schwarzem Hintergrund lassen den Vordermann flüstern: 'Das ist jetzt Kunst.' Und dann auch noch Diderots oft verfilmte 'Nonne' – mit Isabelle Huppert in einer Nebenrolle als nicht gänzlich enthaltsame Oberin. Und los geht’s in feinen Rückblenden, mit eingesprochenem Kommentar und üppigem Spät-Rokoko-Dekor, gehüllt in Schlafmützen und weiße Nachthemden: Die 16-jährige Suzanne Simonin soll ins Kloster, will aber nicht (was sie ganz deutlich sagt), muss natürlich trotzdem und erlebt daselbst die Hölle aus gewaltsamer Erniedrigung und bizarren sexuellen Übergriffen. Am Ende hat sie Glück: Ein Schlüssel durch das Zellengitter erlaubt die Flucht über den Hinterhof.
Es ist schon bemerkenswert, mit welch indolenter Antiquiertheit Nicloux diese Geschichte vom Vorabend der Französischen Revolution noch einmal aufdröselt. Nichts weiß der Film zu berichten über die Selbsterhaltungsmechanismen eines repressiven Systems, nichts über den Konflikt zwischen Gehorsam und Auflehnung der jungen Frau im Zentrum der Geschichte. Stattdessen gibt es: nette alte Nonnen, fies-sadistische junge Nonnen, eifersüchtige Nonnen, indifferente Nonnen, eine fleischesfreudige Huppert-Nonne und eine Suzanne-Nonne, die keine sein will (und auch darüber nie in Zweifel gerät). Über quälend langweilige zwei Stunden wird die Handlung in der immer gleichen, völlig interesselosen Filmsprache dialoglastig und wie dabeistehend abgewickelt, Versatzstücke und Klischees reihen sich aneinander. Wenn die Huppert-Oberin dann nach mehr als einer Stunde endlich auftritt und sich direkt zu Suzanne ins Bett kuschelt, sind die von ihr umwegslos erzwungenen Küsse bloß noch unfreiwillig komisch. Ein Tiefpunkt im Wettbewerb und eine Zumutung.
Dieser Text ist zuerst anlässlich der Berlinale 2013 in der filmgazette erschienen.