Der Komet

(USA 1984; Regie: Thom Eberhardt)

Hinter der Sonnenbrille: Reagans feuchter Traum

Regina und Samantha, genannt Reggie und Sam, sind zwei typische kalifornische Teenager der 80er, sie kauen Kaugummi, spielen pixelige Videospiele an riesigen Automaten und hören Popmusik aus dem Radio. Sie sind ein bisschen cooler, ein bisschen kälter als die Spielberg-Kids. Aber wen wundert’s, ihre Welt ist auch weniger behütet. Auf dem Wohnzimmertisch stehen die Familienportraits, jedes Mitglied für sich in einem eigenen Rahmen. Daddy ist als Soldat in Zentralamerika unterwegs, die böse Stiefmutter Doris flirtet mit dem Nachbarn und boxt der aufmüpfigen Sam im Streit auch schon mal ins Gesicht. Reggie jobbt im Kino, wo ihr Chef sie herumkommandiert, und hat Sex mit ihrem Loser-Freund, dem Filmvorführer. Das ist das Leben und weit und breit kein gutmütiger außerirdischer Gnom in Sicht.

Als aber eines Nachts ein Komet an der Erde vorbeirauscht, löscht er auf ungeklärte Weise fast alles Leben auf dem Planeten aus. Außer Reggie und Sam gibt es nur wenige Überlebende, darunter blutrünstige Mutantenzombies und ein Gruppe zweifelhafter Wissenschaftler. Doch die beiden Schwestern wissen sich zu wehren, mit Maschinengewehren und coolen Sprüchen kämpfen sie um ihr Überleben unter dem rot glühenden Himmel des post-apokalyptischen Los Angeles.

Was sich hier als wilder Genremix verkauft und für jung und frech und spritzig hält, entpuppt sich beim näheren Hinsehen als der feuchte Traum eines alten Mannes namens Ronald Reagan. Verfilmt im Jahr 1984, also als besagter Reagan in der Mitte seiner Amtszeit angelangt war, hat das nach eigenem Drehbuch Thom Eberhardt, den man am ehesten noch als Drehbuchautor von „Liebling, jetzt haben wir ein Riesenbaby“ kennt. Der B-Film war damals kein großer Erfolg und Ende der 80er zu Recht wieder vergessen, aber die Kids, die ihn früher liebten, entdeckten ihn wieder und erkoren „Der Komet“ zum Kultklassiker. Sogar Joss Whedon gab an, dass der Film eine große Inspiration für seine respektable Erfolgsserie „Buffy – Im Bann der Dämonen“ gewesen sei, auch wegen der Darstellung der beiden Heldinnen.

All das muss ein wenig verwundern, denn „Der Komet“ ist nicht bloß schlecht geschrieben, billig produziert und bestenfalls solide gespielt, sondern dabei nicht einmal sonderlich unterhaltsam. Es gibt ein paar wirklich witzige Dialogzeilen, Mary Woronov ist als campy Wissenschaftlerin sehenswert und die Aufnahmen der menschenleeren Metropole sind durchaus gelungen und stimmungsvoll. Aber man sollte sich von der vermeintlichen Unbedarftheit und dem ironischen Ton des Films nicht blenden lassen, denn das Weltbild, das hier vermittelt wird, ist konservativ und spießig und bleibt bei aller Ironie doch immer intakt und unangetastet.

Das fängt an beim Frauenbild: Klar, Sam und Reggie dürfen ihren Spaß haben und machen, worauf sie halt Lust haben, also Motorradfahren, Rumballern und Schuhe kaufen (dazu läuft ein mieses Cover von „Girls Just Wanna Have Fun“, tatsächlich noch das Beste am cheesy Soundtrack). Wer das für emanzipiert hält, für den ist wahrscheinlich auch die fiktive Werbesendung „Chicks Who Love Guns“ aus Tarantinos „Jackie Brown“ ein Bekenntnis zum Feminismus. Und überhaupt: Die Waffen landen am Ende im Müll, entsorgt von Reggies Gatten in spe. Es wurden ausreichend Bilder gezeigt, die der Aufrüstung ein sexy Image verleihen und nach dem Austoben wartet eh das traute Glück als Kernfamilie, ganz wie die Reagan-Regierung es sich wünscht.

Dass der Eindruck entstehen kann, „Der Komet“ handle von selbstbewussten jungen Frauen, ist in erster Linie dem Aussehen der Protagonistinnen geschuldet. Mit Fönfrisur und Cheerleaderkostüm erscheinen sie tatsächlich als weibliche Wesen, obwohl sie vielmehr als Avatare für eine Männerfantasie dienen. Ihre Bedürfnisse sind eine Mischung aus klischiertem Mädchendasein (Materialismus, starke Bezogenheit auf Jungen, Konkurrenzkampf um Männer) und erotischem Jungstraum. Die menschenleere Stadt mit ihren automatisierten Radioprogrammen und an Zeitschalter gekoppelten Pools und Sprinkleranlagen ist passenderweise mehr Simulation als authentische Lebenswelt. Völlig mühelos dringen Reggie und Sam in Gebäude ein, scheinbar aus dem Nichts erhalten sie Waffen, Motorräder und schicke Autos, als hätten sie sie heruntergeladen, um für die Matrix gerüstet zu sein. Selbstredend müssen unsere Valley Girls nicht essen und suchen die Toilette nur zum Schminken auf. Die Diegese des Films hat sich vollkommen auf sie eingestellt und ist ihrer Egozentrik verfallen, der seichte Pop-Rock, den Sam und Reggie im Radio hören, wird konsequenterweise zum offiziellen Soundtrack.

Richtig ärgerlich und ganz im Schatten der Politik Reagans ist „Der Komet“ bei der Darstellung der Zombies, Mutanten oder Zombiemutanten – wie auch immer man will, der Film bleibt hier vage, denn letzten Endes sind sie nur Kanonenfutter und Geisterbahnschreck. Führt man sich aber einmal die Charakteristika, mit denen diese Monster gezeichnet werden, vor Augen, wird aus dem Mutanten schnell ein HIV-Positiver und die zerfledderte Zombiehaut zum Kaposi-Sarkom. Die Mutation wird im Film als körperlicher und geistiger Verfall gezeigt, dem alle zum Opfer fallen, die nicht vollkommen durch Stahl vor den Strahlen des Kometen geschützt waren. Auffällig ist, dass sowohl Reggie als auch der Überlebende Hector vor der Strahlung sicher waren, weil sie sich während des Vorbeiflugs des Kometen an einen privaten Ort zurückgezogen hatten, um Sex zu haben. Weiterhin ist bemerkenswert, dass alle gezeigten Zombies männlich sind, darunter der einzige Schwarze im Film, sowie zwei Motorradpolizisten, die aussehen, als wären sie Mitglieder der Village People. Die Wissenschaftler, die ebenfalls infiziert sind, versuchen verzweifelt sich zu retten, indem sie andere Überlebende als Quelle für frisches Blut anzapfen. Sind ihre Methoden auch verachtenswert und grausam, so legt das Handeln der Wissenschaftler doch nahe, dass es sich bei der Zombiewerdung um eine Krankheit handelt, die behandelt werden kann. Vor diesem Hintergrund erschrecken weniger die entstellten Mutanten, als der Umgang mit ihnen, der die Ignoranz der Reagan-Ära bezüglich der AIDS-Krise widerspiegelt. Bleibt noch anzumerken, dass die Mutantenzombies kaum gewalttätiger sind als unsere Heldinnen, nur verweigert der Film ihnen die Sympathie, die er den Mädchen entgegen bringt. Sie sind nicht verrückt, wie ein Mutant erklärt: „I just don’t give a fuck!“ Wer kann ihnen das in ihrer Situation noch verübeln, auf sie wartet schließlich kein Happy End samt Adoptivkindern und Boyfriends wie auf die ähnlich unempathischen aber hübscheren Valley Girls. Zwei der spärlichen Zombieattacken im Film erweisen sich sogar lediglich als Sams Traum (beziehungsweise als Traum im Traum) und erzählen damit mehr von ihrer Paranoia als von einer existenten Bedrohung.

„Der Komet“ erzählt vom post-apokalyptischen, post-modernen Leben in der shining city Amerikas und ist dabei leider ganz ein Kind seiner Zeit, nämlich ein ausgewachsener Spießer mit schlichtem Gemüt.

Benotung des Films :

Carsten Moll
Der Komet
(Night of the Comet)
USA 1984 - 95 min.
Regie: Thom Eberhardt - Drehbuch: Thom Eberhardt - Produktion: Wayne Crawford, Andrew Lane - Bildgestaltung: Arthur Albert - Montage: Fred Stafford - Musik: David Richard Campbell - Verleih: MGM (USA) - FSK: ab 16 Jahre - Besetzung: Robert Beltran, Catherine Mary Stewart, Kelli Maroney, Sharon Farrell, Mary Woronov, Geoffrey Lewis, Peter Fox, John Achorn, Michael Bowen, Devon Ericson, Lissa Layng, Ivan E. Roth
Kinostart (D): 30.11.-0001

DVD-Starttermin (D): 30.11.-0001

IMDB-Link: http://www.imdb.com/title/tt0087799/
Link zum Verleih: NULL