Eine junge Frau nimmt eine Stelle als Hausmädchen bei einer reichen Familie an. Eun-yi (Do-youn Jeon) ist schön, aber auch naiv, und, wie die Exposition zeigt, wohl auch etwas zu neugierig. Ihre wohlhabenden Arbeitgeber dagegen, die Gohs, sind blasiert, gelangweilt, distinguiert. Der Hausherr Hoon (Jung-jae Lee) trägt teure Hemden und trinkt noch teureren Wein, seine schöne, aber launische Frau Hae-ra (Woo Seo) ist schwanger mit Zwillingsmädchen. Eine Tochter haben beide schon, die junge Nami (Seo-hyun Ahn), um die sich Eun-yi kümmern soll. Manche haben eben alles, andere fast nichts. Eine alte Hausdame Byung-sik (Yuh-jung Youn) kümmert sich zudem seit Jahrzehnten um die Familie. Vielleicht trägt sie ein dunkles Geheimnis mit sich, eine Geschichte, die sich in ihrer Jugend ähnlich ereignet haben mag, wie sie das neue Hausmädchen erleben wird – wir werden es nie erfahren. Verbittert und etwas wunderlich ist die Alte über die Jahre geworden. Heimlich nascht sie von den Resten der Goh’schen Mahlzeiten und bedient sich am Wein des Hausherrn, als ob ihr das zusteht – dafür, dass sie all die Jahre diese hohlen, boshaften Menschen ertragen hat. Vielleicht hält sie sich auch mittlerweile für die eigentliche Hausherrin, wer weiß? Eines wird schnell offensichtlich: Das Verhältnis Herr und Knecht, bzw. Herr und Magd ist komplizierter, als es auf den ersten Blick scheint.
Ein Selbstmord in der Exposition, den Eun-yi beobachtet, bevor sie zu den Gohs kommt, wirft bereits einen dunklen Schatten der Vorahnung über die Geschichte vom Hausmädchen, das aufs Land zieht, zu den egoistischen Bourgeois, die in eleganten, kalten, von gedämpften Weiß- und Schwarztönen bestimmten Villen leben. Das düstere Omen wird bald bestätigt, denn die Gohs werden die junge Frau ausnutzen und quälen. Doch so eindeutig sind die Machtverhältnisse nicht. Wenn der Ehemann plötzlich betrunken im Zimmer der jungen Frau steht, dann unterwirft sich das junge Hausmädchen dem stumpfsinnigen Macho, als hätte sie schon seit Wochen auf ihn gewartet. Überhaupt übernehmen die Frauen hier die zentrale Rolle als eigentlich starkes Geschlecht: Die Hausherrin und ihre Mutter scheinen zu allem fähig und im Hintergrund zieht die alte Hausdame die Fäden. Mehr als einmal wirken Hae-ra und ihre Mutter, wenn sie beim Mordpläneschmieden vor den lodernden Flammen eines offenen Kamins fotografiert werden, wie zwei Hexen. Der Mann im Haus dagegen ist nur ein eitler Geck, der selbst beim Vögeln das Spiel seiner Muskeln im Spiegel bewundert. Und doch zieht Eun-yi etwas magisch zu dieser Familie, die wie aus einem schwarzen Märchen entsprungen wirkt. Selbst als Eun-yi schwanger wird und die Frauen des Hauses einen ersten Mordanschlag auf sie verüben, kehrt das Hausmädchen zurück in das Landhaus. Die Konsequenzen sind, was sonst, mörderisch.
Sang-soo Ims 'Das Hausmädchen' ist ein freies Remake des gleichnamigen, 1960 erschienenen Thrillers von Ki-young Kim, einem Meister des psychologischen, melodramatisch grundierten Horrorfilms. Kims Film ist der wohl bekannteste koreanische Film der Nachkriegszeit, und mit Regisseuren wie Martin Scorsese hat er auch im Westen viele Bewunderer. In der ersten Version des 'Hausmädchens' war die Titelheldin noch eine mörderische Femme fatale. In Ims Neufassung bleiben die Beweggründe der jungen Frau rätselhaft.
Bestenfalls Fragmente einer Biografie erfahren wir von Eun-yi, fast nichts über ihr Leben vor der Begegnung mit den Gohs. Aber realistische, psychologisch motivierte Charaktere sind in der Neufassung dieser klassischen Geschichte sowieso nebenrangig. Stattdessen inszeniert Im einen postmodernen Thriller, der mit seinen boshaften Spitzen gegen die südkoreanische Bourgeoisie zu Beginn wie ein Versuch wirkt, Chabrol nach Asien zu transponieren. Über weite Strecken erinnert 'Das Hausmädchen“ in seiner Stilisierung auch an die Gialli, diese eleganten, wilden psychosexuellen Thriller aus dem Jet-Set-Italien der 70er Jahre. Mit der eleganten Kameraarbeit, der assoziativen Montage, den sorgfältig kadrierten CinemaScope-Bildern und der exzellenten Ausstattung des Hauses mit kubistischen Gemälden, rauschhaft-ornamentalem Jugendstil-Design und nach innen gewundenen Treppen ist 'Das Hausmädchen' über weite Strecken vor allem ein visuelles Erlebnis; ein erlesener Bilderreigen, dessen effektive Wechsel von Tonalität und Stimmung umso verstörender wirken. Zum Schluss lässt Im dann den Plot Purzelbäume schlagen, gibt eine realistische Dramaturgie endgültig auf und wagt sich auf das Terrain von David Cronenberg und David Lynch.
Retrospektiv fragt man sich, ob das alles nicht die Phantasie einer der Figuren war. Aber welcher? Die der alten Hausdame, die sich eine Rachephantasie zurechtspinnt mit einer jungen Stellvertreterin ihrer selbst in der Hauptrolle? Die der schwangeren Mutter, die sich als omnipotente schwarze Märchenkönigin an ihrem treulosen Mann rächt? Oder die des jungen Hausmädchens, das sich in einer sadomasochistischen Phantasie als den heimlich aktiven Part imaginiert? In jedem Fall bestätigt „Das Hausmädchen“ zusammen mit den Werken anderer südkoreanischer Filmemacher wie Joon-ho Bong (“Madeo” / „Mother“; 2009), Hong-jin Na (“Chugyeogja” / “The Chaser”; 2008), Jee-woon Kim (“Akmareul boatda” / “I Saw the Devil”; 2010) und Jeong-beom Lee (“Ajeossi” / “The Man From Nowhere”; 2010), dass die besten Thriller derzeit aus Südkorea kommen – sei es als psychologischer Kriminalfilm, klassische detective story, harter Polizeifilm, wilde Action-Fantasie oder eben als surreales Kammerspiel.