Schon der Vorspann ist toll. In der ersten Einstellung fließt etwas über das Bild, das man für Milch halten könnte, doch es offenbart sich schnell, dass es sich um Sperma handelt. Dass die CGI-Animationen von Spermien auf ihrem Weg zur Eizelle in den, mein Gott!, dreizehn Jahren, die dieser Film nun auch schon wieder auf dem Buckel hat, nicht wirklich vorteilhaft gealtert sind, tut der guten Idee dahinter keinen Abbruch. Auf dem Weg durch einen weiblichen Unterleib verbinden Match Cuts die Eizelle mit einem Auge, Chuckys Auge. Film als Befruchtung eines (männlichen) Auges. Schon hier reproduziert der Film nicht einfach das alte Machtverhältnis aus männlichem Blick und weiblichem Bild, sondern macht klar, dass das alles ein bisschen komplizierter ist.
Der erste „Child’s Play“ von 1988, zu dem Don Mancini die Story erdachte und auch am Drehbuch mitschrieb, war ein sehr effektiv, aber leider auch sehr perfide mit Kinder- und Mittelschichtsängsten spielendes Stück Genrekino. Je prekärer die weiße Mittelschicht, deren Perspektive der Film einnimmt, selbst ist, umso mehr soll sie Angst haben vor einem wie ein Krebsgeschwür in den Städten wuchernden Subproletariat, dessen absolute Verrohung in der Figur des Serienkillers Charles Lee Rays (Brad Dourif), dem es zu Beginn gelingt, dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, indem seine Seele sich per schwarzer Magie aus seinem sterbenden Körper in den einer Puppe flüchten kann, nur eine konsequente Zuspitzung findet. Dieses Konzept ging damals so gut auf, dass bislang fünf Fortsetzungen folgten. Die Drehbücher zur Reihe stammen durchgehend von Mancini, was bedeutet, dass er auch das Revival der Serie durch „Bride of Chucky“, 1998 und somit sieben Jahre nach dem vorangehenden dritten Teil, verantwortete, das das Franchise für queere Lesarten öffnete. Daran knüpft „Seed of Chucky“ an, mit dem Mancini sein Regiedebüt vorlegte.
Gleich zu Beginn gibt er sich dabei als großer Stilist auf den Spuren von Hitchcock, De Palma und Carpenter (oder vielleicht genauer: auf den Spuren von De Palma und Carpenter, die ihrerseits auf den Spuren Hitchcocks wandelten). Jedenfalls beginnt der Film – wie „Halloween“, wie „Blow Out“ – mit einer langen Plansequenz in der subjektiven Perspektive der Titelfigur, in der das elegante Gleiten der Kamera immer wieder recht ruppig unterbrochen wird, gar nicht so elegante Umwege gegangen werden müssen. Die Ermordung eines Ehepaares, die diese Szene zeigt, endet unvermittelt damit, dass sich der kleine Killer in die Hose pisst – nur um sich dann als Albtraum des Protagonisten herauszustellen, aus dem er in den Albtraum hinein erwacht, der sein wahres Leben ist. Als vermeintliches Waisenkind fristet er ein tristes Dasein als Bauchrednerpuppe eines ziemlich fiesen Rocker-Rowdys in England.
Dann eröffnet der Film noch einen zweiten Schauplatz auf einem zweiten Kontinent. Auf einem Friedhof meucheln Chucky und Tiffany, das aus „Bride“ bekannte und schon dort ziemlich zerrüttete Mörderpuppenpärchen, auf gewohnt kreative Weise den Weihnachtsmann höchst persönlich bzw. eine seiner diversen – wie sich in einem Handygespräch mit seiner Freundin offenbart, mit allzu weltlichen Problemen belasteten – Inkarnationen. Doch wieder stellt sich das Geschehen als Illusion heraus, diesmal als Horrorfilmdreh, also als einer unserer synthetischen kollektiven Albträume. Mit diesem Twist gesellt sich zu den vielen filmischen Bezügen der ersten Einführungsszene noch der zu Wes Craven und namentlich zu seinem Meta-Slasher-Sequel „New Nightmare“, dem siebten Teil der „Nightmare on Elm Street“-Reihe von 1994.
Also befinden wir uns fortan in einer Meta-(Film-)Realität in Hollywood, wo gerade die killing spree von Chucky und Tiffany verfilmt wird und, nun ja, Hollywood-Stars wie Jennifer Tilly und der Rapper Redman sich selbst spielen. Die beiden Erzählstränge vom Beginn finden per Fernseher und Flugzeug zusammen und bald darf der Sohn (oder: die Tochter, dazu später mehr) seine Eltern wiederum zu blutrünstigem Leben erwecken, woraufhin Special Makeup Designer Tony Gardner (als er selbst) sehr spektakulär und sehr buchstäblich den Kopf verliert. Und wie immer trachten die Puppen danach, endlich wieder in einen menschlichen Körper zu gelangen, wofür sie sich das Pärchen Tilly und Redman auserkoren haben. Sie steckt in einem – wohl ziemlich chronischen – Karierretief und will es sich zunutze machen, dass er gerade seine Ambitionen als Regisseur entdeckt hat. Und wie könnte sich die durch lesbischen Filmsex bekannt gewordene Darstellerin besser neu erfinden als in der Rolle der Jungfrau Maria in dem Bibelfilm, den er drehen will. Beim Vorsprechen ist der Rapper zumindest von ihren äußeren Attributen überzeugt, was sie durch karrierefördernden Sex ausnutzen will. Dabei jedoch hegen Chucky und Tiffany ihren eigenen Plan, für den sie einen dritten Körper für ihr Kind benötigen, das, da das für Puppen charakteristische fehlende Genital eindeutige Schlüsse nicht zulässt, er für einen Jungen hält und Glen nennt, während sie davon überzeugt ist, dass es sich um ein Mädchen, Glenda, handelt.
Mancinis ziemlich durchgeknalltes Drehbuch tut gut daran, sich mit dem metafiktionalen Quatsch nicht allzu lange aufzuhalten und stattdessen auf Affektkino zu setzen, das gerade dadurch funktioniert, dass es immer wieder in reinen Camp kippt (einen Auftritt der queeren Kino-Ikone John Waters als schmieriger Paparazzo, dem ein besonders schmieriger Abgang beschert ist, inklusive). Das regelrechte Plot Twist-Gewitter der zweiten Hälfte soll hier nicht weiter verraten werden, es tut auch, obwohl es sicherlich seinen Anteil daran hat, dass der Film ist wie er ist, nicht viel zur Sache. Wohl aber bemerkenswert ist der Diskurs des Films um Geschlechteridentitäten und Fortpflanzung bzw. Mutterschaft. Was der Vorgänger bereits vorbereitete, kommt hier in einer Titelfigur, die weder männlich noch weiblich ist, sich mal eher für das eine, dann wieder für das andere Geschlecht entscheidet, zu voller Ausprägung. Die „Geschlechtslosigkeit“ Glen/Glendas kann indessen nur als eine „Vorgeschlechtlichkeit“ gedacht werden. Ein Subjekt, das sich den normativen binären Geschlechterzuschreibungen entzieht, ist für das Über-Ich der Eltern, insbesondere des Vaters, nicht hinnehmbar, es muss sich entscheiden, „richtig“ gegendert werden.
Indessen hat der Versuch der Eltern, ihr Kind dem Gesetz der Geschlechterbinarität entsprechend zu gendern, auch Einfluss auf ihr eigenes (Geschlechterrollen-)Verhalten. Wo Tiffany sich, um ihrer Verantwortung als Mutter gerecht zu werden, in Abstinenz von der Sucht des Mordens versucht, dabei sogar die Hilfe des Zwölf-Schritte-Programms in Anspruch nimmt, da die Meetings, die Selbsthilfegruppensitzungen, für sie wohl eher nicht infrage kommen, in Buchform, da generiert sich Chucky als der Macho, der sich hemmungslos gehen lassen, seinen mörderischen Impulsen freien Lauf lassen kann und sich schließlich auch als verdammt besitzergreifendes Alpha-Männchen herausstellt: „Nobody leaves me!“
Schon durch die Konstruktion des Plots spiegelt sich in dem Puppenpaar das menschliche von Tilly und Redman. Sie findet nach einer Nacht mit ihm, an deren genauen Verlauf sich beide nicht erinnern können, heraus, dass sie schwanger ist. Er weist jede Schuld von sich mit dem Hinweis, dass er schon lange eine Vasektomie bei sich habe vornehmen lassen. Zu dem Gender Trouble gesellt sich auch der Ärger mit dem Sex, wobei das Wort eben eine bestimmte Tätigkeit beschreibt, aber auch bei Judith Butler für das „biologische“, das „körperliche“ Geschlecht steht, in Abgrenzung eben zu dem sozial konstruierten Geschlecht „Gender“. Jedenfalls thematisiert der Film, in dem es auch noch um künstliche Befruchtung per Handpumpe geht, also auch männliche Verhütung, die durchaus ambivalent behandelt wird. Wo es auf der einen Seite löblich ist, dass die Empfängnisverhütung nicht alleine Frauensache ist, gibt sie dem Mann hier auch die Möglichkeit sich richtig auszutoben und hinterher die Sicherheit zu haben: „Ich bin nicht der Vater“. Die Empfangende hingegen hat größere Probleme, schon weil Männer (zumindest im Horrorfilm) manchmal richtige Arschlöcher sind: In seinem Film will Redman die Schwangere nicht mehr haben, weil sie nicht zu der Rolle passe, die heilige Jungfrau müsse nämlich „heiß“ sein. Es bewahrheitet sich für „Seed of Chucky“, gerade im Hinblick auf die eigentlich denkbar friedfertige Titelfigur, die sich dem ständigen Normierungsdruck durch sein Umfeld ziemlich hilflos ausgeliefert sieht, bis es ihr am Ende reicht und sie beweist, dass auf ihrem Arm nicht umsonst „Made in Japan“ steht, was Ivo Ritzer im Hinblick auf die Gialli Dario Argentos schrieb: „Der Schrecken liegt damit im Horror der Heteronormativität selbst.“
Übrigens ist „Seed of Chucky“ auch ein ziemlich fieser Familienfilm, genauer: ein Film über family values, was sich von dem Schnappschuss mit Papa, Kind und verätzter Waters-Leiche bis zum ziemlich deliranten Ende durchzieht. Das jedoch genauer aufzuschlüsseln und zu analysieren wäre wohl der Gegenstand einer anderen eigenen Kritik.