Einmal verlaufen sich Sarah und Isolde nachts im Wald. Zu bloßen Schatten werden die beiden Frauen, Schemen, die sich abheben von den Lichtpegeln ihrer Taschenlampen im Geäst. Es kommt zu einem Streit, bei dem die ziemlich angetrunkene Isolde ihrer Freundin Vorwürfe macht. Nachdem Isolde in der Dunkelheit verschwindet und Sarah alleine zurück lässt, folgt ein Schnitt. Es ist Tag. Die Kamera, die zuvor mit den beiden Frauen durch den Wald wankte, blickt nun ganz ruhig mit Sarah über eine Lichtung.
Zwei Frauen, deren Namen die realen Vornamen der Darstellerinnen sind: Sarah Small und Isolde Chae-Lawrence, die Handkamera, der nächtliche Wald. Wie diese Szene aus dem Realismus des Settings und der Reduktion der Mittel mehr macht, ist in vielfacher Hinsicht bezeichnend für Josephine Deckers Debütfilm 'Butter on the Latch', der wie der Nachfolger „Thou Wast Mild and Lovely“ im Forum der diesjährigen Berlinale zu sehen war. Die Situation wird mystisch überhöht und bekommt zugleich etwas Existenzielles: das Im-Wald-Verloren-sein. Typisch ist auch der abrupte Schnitt, der das Geschehen aufbricht, eine Ellipse setzt. So wie die meist handgehaltene Kamera oft, wie auch hier, verschiedene Abstufungen der Unschärfe auslotet, werden auch inhaltlich die Konflikte nicht zu Ende erzählt, nicht ausgedeutet. Zusammenhänge entstehen eher assoziativ, als dass sie sich aus der Erzählung ergeben würden.
Sarah stattet ihrer Freundin Isolde einen Überraschungsbesuch auf einem Balkan-Folk-Festival in den Wäldern von Mendocino, Kalifornien ab (gedreht wurde im Summer Camp des European Folklife Center und mit dessen realen Besuchern). Die erste Hälfte des Films gehört ganz den beiden Frauen und ihren Gesprächen, die von den Darstellerinnen improvisiert wurden. In einer Szene unterhalten sie sich im Bad über Beziehungen, erzählen sich von ihren sexuellen Abenteuern. Die Kamera ist ganz dicht an ihren Gesichtern, während sich ihr Gespräch um Analverkehr und den Besuch in einem dubiosen Beauty-Studio dreht. Um Vertrauen geht es auch und Ausdruck einer großen Vertrautheit zwischen den beiden Frauen ist auch diese Szene.
Gleichzeitig gibt dieses Gespräch das Thema des weiblichen Begehrens vor, das den Film, wenn auch auf eine schwer greifbare Art, bestimmen wird. Sarah lernt einen Mann, Steph (Charlie Hewson), kennen und macht sich sehr behutsam daran, ihn zu verführen. Diese zaghafte Annäherung korrespondiert mit einer zunehmend kühleren und distanzierteren Haltung zwischen den beiden Freundinnen. Fast wie Fremde werden sie sich an einer Stelle begegnen.
Doch geht es Decker wiederum um mehr, als zu erzählen, wie ein Mann einen Keil zwischen zwei Freundinnen treibt. Vielmehr scheint etwas schwer Fassbares, Mystisches von Sarah Besitz zu ergreifen. Ein Pressetext spricht sehr passend von „unirdischen, erschreckenden Gefühlen.“ Da ist etwas in den Wäldern von Mendocino, das nicht von dieser Welt zu sein scheint. Etwas, das der Film nicht erklärt und das doch in der Natur, in den Wäldern greifbar ist. In den Zeitlupenbildern von Frauen in weißen Gewändern, die im Kreis tanzen, an denen sich Deckers Background in der Performance Art deutlich ablesen lässt. Den wiederholten Bildern von einer Schnecke, den verstörenden, dissoziativen Schnittfolgen.
Mit den Rhythmen und Gesängen des Festivals, die den Fluss der Bilder immer wieder eher unterbrechen als ihn voranzutreiben, steuert „Butter on the Latch“ in einem beständigen Crescendo zu auf Momente purer Ekstase. Auf die Sexszene am See. Körper, Münder, Hände, die einander suchen und finden, einander ertasten. Erst ganz vorsichtig und zärtlich, dann immer wilder. Und wieder schleicht sich mit Zwischenschnitten etwas ein in diese Bilder. Etwas Tödliches vielleicht.
Josephine Decker ist mit „Butter on the Latch“ ein rätselhafter, intensiver, fiebriger Debütfilm gelungen. Ein Film, der bei aller inhaltlichen Offenheit und Uneindeutigkeit zu einer hohen formalen Geschlossenheit findet.