Vergangenheit und Gegenwart, das Erblühen und Verblassen einer Liebe sind in Derek Cianfrances “Blue Valentine” eng miteinander verwoben. In Rückblenden werden die prägnanten Momente eines hoffnungsvollen Beginnens mit dem Status quo der Beziehung konfrontiert, wobei die Montage in bildlichen Analogien die Kontraste akzentuiert. Immer wieder treffen sich Blicke, wiederholen sich Umarmungen unter anderen Vorzeichen oder verbinden sich Gefühle mit Erinnerungen. So blitzt das vergangene Glück, zeitlich verdichtet, in wenigen Streiflichtern noch einmal auf, während sich die Beziehungskrise der Gegenwart über einen langen Tag erstreckt.
Schon die Suche der kleinen Frankie (Faith Wladyka) nach ihrem geliebten Hund zu Beginn von „Blue Valentine“ lässt nichts Gutes erahnen. Eine Atmosphäre voller Spannungen und unterdrückter Konflikte schwebt dunkel über dem sich auflösenden Familienidyll. Frankies Mutter Cindy (Michelle Williams), die als Krankenschwester arbeitet, wirkt gestresst und genervt; ihr scheint regelrecht die Luft zum Atmen zu fehlen. Dieses klaustrophobische Grundgefühl spitzt sich noch zu, als ihr Mann Dean (Ryan Gosling), ein romantischer Kindskopf und konvertierter Familienmensch, der als Anstreicher glücklich ist, in einem absurd kitschigen Love-Motel eine Nacht für die beiden bucht. Im sogenannten „Zukunftszimmer“ möchte er die abgenutzte Ehe auffrischen. Doch im Kommunikationsgefängnis aus Missverständnissen und Missverstehen werden vor allem scheinbar unüberwindliche Differenzen deutlich.
Derek Cianfrance entwickelt in „Blue Valentine“ allerdings keine Problemgeschichte. Sein sozialrealistischer Film, der viel Wert auf eine genaue Milieuzeichnung legt, zeigt nicht, wie das Paar in diese Sackgasse geraten ist, sondern eher, wie seine Partner mehr oder weniger hilflos das Ende ihrer Ehe erleben. Unterstützt durch die Musik von Grizzly Bear, setzt Cianfrance deshalb vor allem auf Stimmungen und Emotionen. Gründe für das Scheitern der Beziehung lassen sich allenfalls aus der Figurenpsychologie herleiten: So kommt Cindy aus einem autoritären Elternhaus und hat in der Suche nach Halt mit vielen wechselnden Partnern kein Vertrauen entwickeln können, während das Scheidungskind Dean durch die frühe Entbehrung der Mutter zum Familienmensch geworden ist.
„Lass uns eine Familie sein!“, fleht er verzweifelt in einer der intensivsten Szenen. Dabei trägt sein Aufopferungswille deutlich romantische Züge. Dean ist die sympathische Integrationsfigur, die sich gegen Cindys (emotionale) Haltlosigkeit und gegen die Fliehkräfte seiner Ehe stemmt und mit der Regisseur Derek Cianfrance eigene Kindheitsängste verarbeitet: „Als Kind machten mir zwei Dinge Angst: Die Gefahr eines Atomkriegs und dass sich meine Eltern scheiden lassen könnten. Der Film ist ein Resultat der zweiten Angst.“