Der Wecker klingelt um sechs. Eine Hand schiebt sich aus dem Sarg, um ihn enerviert auszuschalten. So stinknormal beginnt der Tag von Viago. Oder besser gesagt: die Nacht. Denn wir befinden uns, so informiert das Presseheft, in einem „faszinierenden Dokumentarfilm“, der „erstmals und mit schonungsloser Offenheit den unspektakulären Alltag einer bislang unerforschten Spezies“ zeigt. Viago ist also, genau wie seine anfangs drei Mitbewohner in einer alten Villa in Wellington, Vladislav, Deacon und Petyr: ein Vampir (was auch den Sarg erklärt, über den aufmerksame Leser im zweiten Satz dieses Textes sicherlich gestolpert sind). Und „What We Do in the Shadows“ – wie „5 Zimmer Küche Sarg“ im Original wesentlich eleganter heißt – ist eine Mockumentary, die, angelehnt an gängige Reality-TV-Formate, den Alltag einer Vampir-WG schildert.
Viago, 379 Jahre alt, war in einem früheren Leben ein Dandy, weshalb er etwas pedantisch seine Mitbewohner dazu anhält, bei ihren Mahlen keine allzu große Sauerei zu veranstalten und sich darum kümmert, dass irgendjemand die sich stapelnden Geschirr-Berge abwäscht. Vladislav, im Mittelalter groß geworden, ist in seinen Ansichten eher konservativ. Eitel besteht er darauf, schon mit sechzehn Jahren zum Vampir geworden zu sein, was sich mit seiner doch nicht mehr ganz jugendlichen Erscheinung, sorry, beißt. Jedenfalls unterhält er eine – wenn auch in letzter Zeit seltener genutzte – Folterkammer und vergnügt sich vornehmlich mit gleich mehreren Jungfrauen. Deacon ist mit seinen schlappen 183 Jahren ein jugendlicher Haudrauf, der um keine Albernheit verlegen ist. Schließlich Petyr, mit 8000 Jahren mit Abstand ältester der WG, der sich in seinem Look denn auch an der Steinzeit des Vampirfilms orientiert, nämlich an Friedrich Wilhelm Murnaus „Nosferatu“.
Um Schwung in die Bude – und den Plot – zu bekommen, muss Zuwachs her. Der kommt in Form des jungen Hipsters Nick, der von Petyr zum Vampir gemacht wird. Auch sein bester Freund, der Computer-Experte Stu, ist im Haus bald gerne gesehener Gast. Verklickert er den Vampiren doch den Umgang mit sozialen Netzwerken – und zeigt ihnen YouTube-Videos von Sonnenaufgängen. Leider hat Nick nicht nur seine Schwierigkeiten, sich mit den Gegebenheiten des ewigen Lebens abzufinden, sondern auch die unkluge Eigenschaft, überall mit seinen vampirischen Fähigkeiten zu prahlen („Kennt ihr diesen Typen aus ‚Twilight‘? Das bin ich.“) Wodurch die Villa bald nächtlichen Besuch von einem Vampirjäger bekommt. Gegen Ende gibt es dann auch noch die große „Unholy Masquerade“, einen Maskenball für die verschiedenen untoten Communitys (also Vampire, Zombies et al), wo es Vladislav mit einer ehemaligen Geliebten zu tun bekommt, die nur unter dem vielsagenden Namen „Das Biest“ bekannt ist.
Die Idee zu „5 Zimmer Küche Sarg“ geht auf einen Kurzfilm zurück, den die Regisseure, Drehbuchautoren und Darsteller Taika Waitti (Viago) und Jemanine Clement (Vladislav) 2005 realisierten. Die Szenen wurden von einem Script vorgegeben und dann improvisiert. Dem Reality-Soap-Format entsprechend, folgt die Handkamera den Figuren oft dicht durch die eher karg eingerichtete Villa und das Nachtleben von Wellington. Manchmal gibt es, wenn man bei den Streifzügen durch die Nacht auf eine Werwolf-Clique trifft, Stunk – dies sind die wenigen Momente, in denen der Film das Komödienfeld zumindest ein Stück weit verlässt, um mehr in Richtung Horrorkino auszuschwenken.
Neben gängigen Versatzstücken der Blutsauger-Mythologie, etwa fehlenden Spiegelbildern en masse, zitiert sich der Film exzessiv durch die Vampir-Filmgeschichte: von Murnau über „The Lost Boys“ und „Blade“ bis zu „Twilight“. Neben der Darstellung des allzu Menschlichen des Vampir-Daseins bezieht der Film seinen Humor also aus nerdigen Wiedererkennungswerten. Beides regt in seinem beständigen Over Drive eher zum Schmunzeln an. Die großen Lacher sind selten.
Seine besten – und witzigsten – Momente hat „5 Zimmer Küche Sarg“ dort, wo er sich gehen lässt und es eher grob wird. Etwa in der Szene, wenn Viago, der seinen Opfern gerne einen schönen (Lebens-)Abend beschert, beim Biss die Halsschlagader trifft und das Blut nur so spritzt und sprudelt. Oder wenn es um zwei Vampirmädchen geht, deren Hauptnahrungsmittel Pädophile sind. In diesen Momenten wird deutlich, welcher Film „5 Zimmer Küche Sarg“ hätte werden können, wenn er es sich öfters erlaubt hätte, das Konzept-Korsett zu verlassen, um sich allerlei Ausschweifungen hinzugeben.