Auf dem Bildschirm des Computers erscheint der Grundriss einer geräumigen Zwei-Zimmer-Wohnung, der kurz darauf ausgedruckt wird. Die Geräusche des Druckers gehen über in das Wummern eines Presslufthammers, das wiederum abgelöst wird vom Lärm einer Bohrmaschine. Um diese Lärmquellen herum, durch sie hindurch und jenseits von ihnen gewinnen Stimmen, Schritte und die Geräuschkulisse eines Umzugs die Oberhand. Doch tatsächlich ist davon nicht viel zu sehen. Vielmehr liefert er die Folie beziehungsweise den zeitlich gedehnten Rahmen für eine räumliche Verdichtung von Gesichtern und Stimmen, Bewegungen und Begegnungen, aus denen für Augenblicke Beziehungen aufscheinen. Im Zentrum dieser minimalistischen Kontakte und Dialoge, die meist einem einfachen Frage-Antwort-Schema folgen, steht die Zeichnerin Mara (Henriette Confurius). Als schöne, stille Beobachterin des merkwürdigen Treibens um sie herum bleibt sie zunächst undurchschaubar und mysteriös.
In Ramon und Silvan Zürchers kunstvoll gestaltetem Film „Das Mädchen und die Spinne“ ist Mara die Verletzte. Äußerlich ablesbar ist das an ihrem Herpes-Bläschen über der Oberlippe, einem eingerissenen Fingernagel und einer Schramme auf der Stirn. Doch aus ihrer schweigsamen Gedankenverlorenheit blitzen immer deutlicher eine gereizte Angriffslust und unterdrückte Aggressionen. Offensichtlich leidet sie unter der bevorstehenden Trennung von ihrer WG-Mitbewohnerin Lisa (Liliane Amuat), die in besagte neue Wohnung umzieht. In Erinnerungen ruft sie die enge, fast symbiotische Beziehung wach, die sich jetzt in einem schmerzlichen Gefühl aus Melancholie und Vergeblichkeit aufzulösen scheint. „Voyage, voyage“ von Desireless wird im Hintergrund auf einem alten, verstimmten Klavier wiederholt intoniert, als gäbe es kein Wiedersehen.
Auf ästhetisch sehr eigenwillige, artifizielle Weise thematisieren die aus der Schweiz stammenden Zwillingsbrüder Zürcher diesen Abschied, der von Momenten der Vergänglichkeit und des Verschwindens durchdrungen ist. In kurzen Gesprächen und langen Blicken, für die es stets wechselnde Augen- und Ohrenzeugen gibt, inszenieren sie die Parallelität und Gleichzeitigkeit von Menschen und Dingen, die in der lyrischen Montage ein Eigenleben führen und eine eigene Geschichte entwickeln. Nicht die Erzählung, sondern die Darstellung und das Zeigen stehen im statischen Kino der Brüder Zürcher im Mittelpunkt.
„Schönheit lässt sich nicht bewahren“: Eine existentielle Unsicherheit und Ungewissheit sprechen aus der Protagonistin, die ihr Dasein als schwankend erlebt. Alles driftet auseinander, was auf der teils leicht forcierten Symbolebene des Films mit einer morbiden Lust an der Unordnung und Zerstörung einhergeht. Und doch gibt es immer wieder auch Übergänge in den Traum und die Phantasie als Fluchträume, hin zu einer Transzendenz, die die Wirklichkeit wie in einer bewegten Gewitternacht überschreitet – „als halte eine geheime Kraft die Dinge zusammen.“