Die gedämpften Taktschläge eines Metronoms begleiten die ersten Bilder dieses fast stummen Films, der eine geheimnisvolle, schwebende Stimmung zwischen Realität und Traum, Erinnerung und Imagination etabliert. Der Herzschlag des Lebens im Rhythmus der vergehenden Zeit evoziert zugleich eine Melancholie angesichts der Vergänglichkeit. Angesiedelt in einer nebelgrauen Vorstadtwelt aus Baustellen, Brücken, Unterführungen, Fabriken und Kneipen, spielt Dietrich de Velsas wiederentdeckter schwuler Pornofilm „Gleichung mit einem Unbekannten“ („Équation à un inconnu“, 1980) zugleich in einer in sich abgeschlossenen, spiralförmigen Welt. In ihre klandestinen Räume, ausgewiesen als Topographien der Homoerotik und entsprechend symbolisch aufgeladen, dringen Außengeräusche wie aus weiter Ferne. Zug- und Hafenlärm, Kindergeschrei und das Rauschen von Wasser kommen nicht aus dem Bild, sondern dienen der Suggestion. Verstärkt wird diese fast sakrale Atmosphäre noch durch den Einsatz klassischer Musik, die, gespielt auf Synthesizer und elektrischer Orgel, leicht verfremdend wirkt.
Dietrich de Velsa zeigt in seinem aus kunstvollen Einstellungen komponierten Film ausnahmslos jugendlich schöne Männer in ihrem sexuellen Begehren und in ihrer verzehrenden Lust, beim zärtlichen, fast unschuldig anmutenden Liebesspiel und in ekstatischen Orgien. Er inszeniert ihre Begegnungen an halböffentlichen Orten, die den Zuschauer-Voyeur zum Komplizen der durch Rahmungen distanzierten Voyeure im Bild machen. So werden Duschen, Umkleidekabinen, Kneipen-Toiletten und Unterführungen zur alltäglichen Bühne einer offenen, freien Sexualität, deren Erfüllung zugleich den Makel der Vergeblichkeit und des Hinfälligen in sich trägt. So scheint in den sehnsüchtigen, fast jenseitigen Blicken der Jünglinge die Zeit zwar aufgehoben, doch in ihren lasziv geöffneten Mündern vermischt sich der ätherische Atem des Lebens mit dem dunklen Hauch des Todes. Insofern öffnet sich der Film immer wieder einer Transzendenz, die seine Helden ebenso nährt wie verzehrt.
Als Dialektik zwischen An- und Abwesenheit lassen sich auch die Bewegungen der cruisenden Protagonisten im Raum verstehen. Ihre nächtlichen Motorradfahrten, als lange, dynamische Bewegungen inszeniert, suchen lustvoll das Unbekannte und öffnen sich einer unbeschwerten Freiheit. Wie sehr diese, vor allem auch in den Bildern sexuellen Verlangens, mit jugendlicher Unabhängigkeit verknüpft ist, wird wiederholt akzentuiert. Körper, Räume und Gegenstände sind dann regelrecht erotisch beseelt. Die sinnliche Welt kennt kein Außen und ist doch fremd und fern. Einmal sitzt ein Mann mittleren Alters – es könnte in der Logik des Films der Regisseurs sein – allein, schweigsam und scheinbar unbeteiligt in der Ecke einer Bar vor seinem Pastis, während sich wenige Schritte von ihm entfernt die Jungen in ihrer exzessiven, grenzüberschreitenden Lust besudeln. Die vergehende Zeit trennt ihn wie eine ferne Erinnerung von einem unmöglich gewordenen Begehren.